Einführung
Rechtsgrundlage
Die Nachlassabwicklung und Verwaltung (administration of estates) ist in Part 6 des Wills, Estates and Succession Act (WESA) und im Trustee Act (TA) geregelt.
Grundlegende Unterschiede zum deutschen Erbrecht
Nach dem Recht von British Columbia (BC) geht mit dem Tod des Erblasser dessen Vermögen auf das Gericht bzw. (nach Bestellung) Nachlassabwickler (personal representative), vgl. Sec. 102 WESA.
welcher den Nachlass (estate) für die Begünstigten als Treuhänder (trustee) verwaltet
Nicht auf den Nachlassabwickler geht hingegen Vermögen über, das "außerhalb des Nachlasses" übergeht z.B. das über ein Anwachsungsrecht (joint tenancy), einen lebzeitigen Trust (living trust) oder eine Todesfallbegünstigung (z.B. RRIF oder RRSP).
Anerkennung eines deutschen Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnis
Ein deutscher Erbschein oder ein deutsches Testamentsvollstreckerzeugnis wird nicht anerkannt, kann aber unter Umständen das Verfahren vereinfachen.
Förmliches Nachlassverfahren - Zuständigkeit
Zuständig für das Verfahren ist der Superior Court of Justice des Bezirks, in dem der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte.
Der Nachlassabwickler - Auswahl und Befugnisse
Person
Hat der Erblasser den Nachlassabwickler selbst in seinem Testament benannt, so hat die Benannte Person das Recht (nach Bestätigung durch das Gericht) den Nachlass zu verwalten, wenn sie bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Eine solche Person wird auch als "executor" bezeichnet.
Bei gesetzlicher Erbfolge bestimmt das Gericht den Nachlassabwickler nach den Regeln von Sec. 130 WESA. Der Nachlassabwickler wird in diesem Fall als "administrator" bezeichnet.
Gibt es ein Testament, ist der dort Benannte nicht fähig (z.B. weil er vorverstorben oder krank ist) oder nicht Willens das Amt des Nachlassabwicklers zu übernehmen, bestimmt das Gericht auf Antrag einen geeigneten Nachlassabwickler. Die Reihenfolge der Berechtigung (priority) bestimmt sich in diesem Fall nach Sec. 131 WESA.
Befugnisse des Nachlassabwicklers
Sofern das Testament nicht etwas anderes bestimmt, haben alle Nachlassabwickler nach Ernennung/Bestätigung durch das Gericht die gleichen Befugnisse (powers).
Antrag und Erteilung des Zeugnisses des Nachlassabwicklers
Das Verfahren beginnt in der Regel mit dem Antrag der als Nachlassabwickler berufenen Person auf Erteilung eines Zeugnisses (Grant) über seine Bestellung/Bestätigung.
In einem Nicht-Streitverfahren werden typischerweise folgende Dokumente eingereicht:
- Der Antrag (submission for estate grant);
- Eine eidesstattliche Versicherung (affidavit of the applicant);
- Zwei Kopien des certificate of wills notice search (über Vital Statistics Agency zu erhalten);
- Eidesstattliche Versicherungen über die Zustellung an die zu unterrichtenden Personen (Affidavit(s) of delivery);
- Eidesstattliche Versicherung über die Aktiva und Passiva;
- Das Original des Testaments (oder einer Kopie falls das Original nicht verfügbar ist);
- Zahlung der Gebühren (probate fees).
Weitere Dokumente können einzureichen sein.
Wenn das Gericht zu der Überzeugung gekommen ist, dass die Voraussetzungen für eine Erteilung des Grant vorliegen, erteilt es dem Antragsteller
- das Grant of Probate, wenn er im Testament benannt wurde,
- das Grant of Administration im Fall der gesetzlichen Erbfolge,
- das Grant of Administration with the will annexed, wenn es ein Testament gibt, aber nicht (wirksam) ein Nachlassabwickler darin bestimmt wurde.
Der Nachlassabwickler muss den Begünstigten und gesetzlichen Erben Kopie des Antrags zur Kenntnis bringen (notice). Um die Begünstigten und gesetzlichen Erben zu identifizieren soll er vernünftigen Anstrengungen unternehmen, Sec. 121 WESA.
Einspruch gegen die Erteilung des Nachlasszeugnisses
Eine Partei, die die Erteilung eines Nachlasszeugnisses anfechten möchte, kann gemäß Regel 25 (10) der BC Supreme Court Rules einen Einspruch (Probate Dispute Notice) einreichen. Der Einspruch gilt für ein Jahr nach dem Datum der Einreichung, es sei denn, sie wird auf Anordnung des Gerichts erneuert oder aufgehoben oder das Testament wird förmlich (in solemn form) bestätigt.
Solange der Einspruch in Kraft ist, darf das Gericht kein Nachlasszeugnis (grant) erteilen. Das Gericht kann auf Antrag einer Partei den Einspruch aufheben, wenn das Gericht feststellt, dass der Einspruch nicht im besten Interesse des Nachlasses ist.
Verwaltung und Verteilung des Nachlasses
Ablauf der Verwaltung
Der Nachlassabwickler soll sodann
- den Nachlass in Besitz nehmen,
- Nachlassverbindlichkeiten tilgen,
- gegenüber den Begünstigten, Gläubigern und anderen, denen gegenüber er gesetzlich zur Rechenschaft verpflichtet ist, Rechenschaft ablegen,
- alle anderen Pflichten erfüllen, die dem persönlichen Vertreter durch das Testament der verstorbenen Person oder durch das Gesetz auferlegt werden,
- den Nachlass an die Begünstigten verteilen, vgl. 142 (2) WESA.
Der Nachlassabwickler hat dieselben Befugnisse über den Nachlass, für den er bestellt ist, wie die verstorbene Person, wenn sie leben würde, es sei denn im Testament ist etwas bestimmt oder aus dem Gesetz ergibt sich etwas anderes, Sec. 142 (1) WESA. Er kann insbesondere über Nachlassgegenstände ohne Zustimmung der Erben im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung verfügen.
Zu seinen Aufgaben gehört es ferner auch die kanadische Einkommensteuer (income tax) des Verstorbenen für das Sterbejahr einschließlich der durch den Tod ausgelösten Kapitalgewinnsteuer mittels des Formulars T 1 (final return) zu erklären. Einkünfte nach dem Tod sind mittels des Formulars T3 (Trust Income Tax and Information Return) ebenfalls zu erklären. Bis zur Erteilung der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung (clearance certificate) vergehen in der Regel einige Monate (ab Einreichung der Erklärung). Da der Nachlassabwickler ohne Vorlage des clearance certificate Gefahr läuft für die Steuer zu haften und wird vorher allenfalls eine erste Zahlung (interim distributions) geleistet.
Rechenschaft und Verteilung
Der nach Begleichung der Nachlassverbindlichkeiten soll der Nachlassabwickler Rechenschaft legen und die verbleibenden Nachlassgegenstände an die Begünstigten verteilen. Dies kann förmlich oder unförmlich erfolgen.
Auf Antrag des Begünstigten oder in bestimmten anderen Fällen muss der Nachlassabwickler dem Gericht einen Rechenschafts- und Verteilungsplan zur Genehmigung vorlegen (Sec. 99 TA). Dieser Vorgang wird als Passing of Accounts bezeichnet; ausführliche Informationen in englischer Sprache hierzu finden Sie hier.
Die Verteilung richtet sich dabei nach dem Testament unter Berücksichtigung zwingender gesetzlicher Vorschriften, insbesondere der Ansprüche des Ehegatten oder abhängiger Personen nach Part 4 Division 6 (variation of wills) WESA. Gibt es kein Testament, erfolgt die Verteilung nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge. Die Verteilung des Nachlasses (distribution) an die Begünstigen soll frühestens 210 Tage nach Erteilung des Grant erfolgen, 155 (1) WESA. Wird in dieser Zeit ein Gerichtsverfahren anhängig gemacht, welches Einfluss auf die Verteilung hat, darf eine Verteilung nur mit Zustimmung des Gerichts erfolgen, Sec. 155 (2) WESA.
Der Rechenschafts- und Verteilungsplan soll auch die Vergütung des Nachlassabwicklers ausweisen. Hat der Erblasser diese nicht bestimmt, ist eine angemessen Vergütung (fair and reasonable) zu zahlen, die nicht 5 % übersteigen soll, siehe Section 88 (1) TA. Bei der Bestimmung der Angemessenheit berücksichtigt das Gericht den Umfang des Nachlasses, die Sorgfaltspflicht/Verantwortung und Risiko des Nachlassabwicklers, den Zeitaufwand, die benötigte und gezeigte Befähigung sowie das Ergebnis. Zusätzlich erhält er eine jährliche Vergütung von 0,4 %, Sec. 88 (3) TA.
Vereinfachte Verfahren
Ein vereinfachtes Verfahren für geringwertige Nachlässe (small estates) gibt es in BC nicht. Allerdings gibt es für bestimmte Vermögensgegenstände die Möglichkeit eines vereinfachten Verfahrens. So kann z.B. nach Sec. 18 Motor Vehicle Act die Vorlage des Testaments oder die Zustimmung aller gesetzlicher Erben für die Umschreibung auf den Begünstigten genügen, wenn der Wert des Nachlasses nicht höher als CAD 25.000 ist.