Auslegung eines nach englischem Recht verfassten Testaments bei Geltung deutschen Erbrechts

Es kommt immer wieder vor, dass bei Anwendbarkeit deutschen Erbrechts in der Form des englischen Erbrechts ein Testament errichtet wird und dabei Begriffe des englischen Rechts - unreflektiert - verwenden. Dies führt nicht selten zu Streit über den Inhalt des Testaments. Einen solchen Fall hatte nun das OLG Schleswig-Holstein zu entscheiden.

Amtliche Leitsätze:

1. Verwendet der Erblasser in einem Testament materiell-rechtliche Institute eines Rechts, das nicht als Erbstatut berufen ist, muss durch Auslegung nach den Regeln des Erbstatuts - bei deutschem Erbstatut also nach den §§ 133, 2084 BGB - ermittelt werden, was er damit ausdrücken will. In einem solchen Fall ist bei der Ermittlung des Erblasserwillens aber dem Sinngehalt des ausländischen Rechts Rechnung zu tragen. 

2. Bei einem nach englischem Recht errichteten Testament sind die dort benannten trustees unter Geltung des deutschen Erbstatuts gemäß den §§ 133, 2084 BGB in der Regel nicht als Erben eingesetzt, sondern lediglich als Testamentsvollstrecker berufen. Soweit dort beneficiaries benannt werden, ist jeweils im Einzelfall zu klären ist, ob sie einem Vermächtnisnehmer oder einem Erben nach deutschem Recht nahestehen. 

Schleswig-Hosteinische Oberlandesgericht (OLG) hat mit Beschluss vom 9.7.2014 -  3 Wx 15/14 -

Aus dem Urteil: 

Zur Auslegung des Testaments: 

Verwendet der Erblasser in einem Testament materiell-rechtliche Institute eines Rechts, das nicht als Erbstatut berufen ist, muss durch Auslegung nach den Regeln des Erbstatuts – bei deutschem Erbstatut also nach den §§ 133, 2084 BGB - ermittelt werden, was er damit ausdrücken will. In einem solchen Fall ist bei der Ermittlung des Erblasserwillens aber dem Sinngehalt des ausländischen Rechts Rechnung zu tragen. Ist der Wille des Testators ermittelt, entscheidet das Erbstatut darüber, ob das Gewollte zulässig ist und in welchen Rechtsformen des eigenen Rechts es dargestellt werden kann. Der Erblasserwille ist möglichst aufrecht zu erhalten, soweit er sich - bei deutschem Erbstatut - in die Begriffe des BGB „übersetzen“ und - unter Umständen auch erst im Wege der Umdeutung - mit den erbrechtlichen Vorstellungen des BGB in Übereinstimmung bringen lässt (ebenso BayObLG, a.a.O., bei juris Rn. 65 m.w.N.).Das BayObLG stimmt in der zitierten Entscheidung der auch im Übrigen in der Kommentarliteratur und der Rechtsprechung ganz weitgehend vertretenen Auffassung zu, dass im Falle der Testierung nach englischem Recht durch Errichtung eines Testamentary-Trusts der „Trustee“ regelmäßig nicht als Erbe anzusehen ist, sondern in aller Regel seine Einsetzung in die Anordnung einer Testamentsvollstreckung umzudeuten bzw. dies entsprechend auszulegen ist, während als testamentarische Erben nur die Letztbegünstigten „beneficiaries“ in Betracht kommen, bei denen indes im Einzelfall zu klären ist, ob sie tatsächlich Erben oder aber nur Vermächtnisnehmer sein sollen. 

Zur Behandlung der testamentarischen Anordnung der Bildung eines "discreationary fund":

Das nach Ziffer 5 des Testaments zu bildende Sondervermögen (Trust bzw. Fund) wird in dem englisch-sprachigen Original als „Discretionary Fund“ bezeichnet. Ein solches Sondervermögen zeichnet sich dadurch aus, dass die Trustees dieses Vermögen an mehrere Begünstigte nach ihrem Ermessen verteilen dürfen (Odersky in Süß, a. a. O., Seite 736). Gerade ein solches Ermessen ist im Einzelnen zu dem fraglichen Sondervermögen in Ziff. 5 des Testaments auch geregelt. Vor diesem Hintergrund ist zu erkennen, dass die in Ziffer 5 c. genannten drei Kinder (des Erblassers bzw. der Beteiligten zu 1.) und die dort weiter bezeichneten Enkelkinder und sonstigen Abkömmlinge des Erblassers - obwohl aufgeführt mit der Sammelbezeichnung beneficiaries - nicht als Erben des Erblassers angesehen werden können, sondern nach deutschem Recht entsprechend nur als Vermächtnisnehmer. Es steht nämlich gerade nicht fest, ob und welchen Teil des Sondervermögens sie erhalten, sie sind deshalb nicht zwingend Letztbegünstigte des Testaments. Nach deutschem Recht ist es ausweislich der §§ 2151 ff BGB möglich, ein Vermächtnis derart auszusetzen, dass das Bestimmungsrecht einem Dritten übertragen wird. Bei diesem Dritten kann es sich um den und die Testamentsvollstrecker handeln. Eine solche Fallgestaltung liegt hier vor, wenn der „Will of X“ nach deutschem Recht ausgelegt wird.

Anmerkungen:

  • Wird - obwohl deutsches Recht auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden ist - ein Testament nach der Form englischen Rechts errichtet, kann dies zu erheblichen Auslegungsschwierigkeiten führen. Daher sollte vor Errichtung eines deutsch-englischen Testaments stets ein Spezialist für deutsch-englisches Erbrecht hinzugezogen werden. 
  • Entgegen der Auffassung des OLG meinen wir, dass die Bildung eines discretionary fund im vorliegenden Fall unwirksam gewesen sein dürfte: Ein Fall des § 2151 BGB dürfte nicht gegeben gewesen sein, da offenbar im Testament nicht bestimmt war, welchen Anteil am discretionary fund die Begünstigten erhalten sollen und auch eine Zweckbestimmung i.S.v. § 2156 BGB (Zweckvermächtnis) fehlte.
  • Zutreffend erkennt das Gericht, dass ein Trustee in der Regel nicht als Erbe im Sinne von § 1922 BGB anzusehen sein wird. Im Einzelfall (z.B. wenn es nur Ermessen-Begünstigte gibt und auch die gesetzlichen Erben nicht zum Zug kommen), kann der Trustee aber wohl doch als (Vor-) Erbe zu qualifizieren sein. 
  • Zu beachten ist, dass sich das anzwendende Erbrecht im Grundsatz für Todesfälle ab dem 17.08.2015 nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) richtet. Danach ist in der Errichtung eines Testaments in der Form ausländischen Rechts oftmals eine konkludente Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO oder einer fingierte Rechtswahl zu sehen. 
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