Leitsätze
1. Schenkt eine Person eine Sache (z.B. Eigentumswohnung) einer anderen Person und schenkt diese unmittelbar anschließend diese Sache seinem Ehegatten, ohne zur Weiterschenkung verpflichtet zu sein, liegt keine Kettenschenkung vor und der Ehegatte kann den vollen Ehegattenfreibetrag geltend machen.
2. Für die Annahme einer Weitergabeverpflichtung reicht es nicht aus, dass der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass das Geschenk unmittelbar an einen Dritten weiterschenkt wird.
3. Eine Weitergabeverpflichtung des zuerst Bedachten ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil die Schenkung und die Weiterschenkung in zwei zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgenden notariellen Urkunden vereinbart wurden und der zuerst Bedachte den geschenkten Gegenstand vor der sich unmittelbar anschließenden Weiterschenkung nicht tatsächlich als Eigentümer nutzen konnte.
BUNDESFINANZHOF Urteil vom 18.7.2013, II R 37/11
Sachverhalt
Die Mutter (M) schenkte ihrem Kind, K 1, eine Eigentumswohnung. Anschließend schenkte K 1 die Hälfte der Wohnung an seine Ehefrau (E). Die Notarverträge wurden am gleichen Tag unmittelbar nacheinander beurkundet. S verzichtete auf seine Zwischeneintragung als Alleineigentümer.
Das Finanzamt ging davon aus, dass eine Schenkung der M an E vorliegt und der Erwerb in der Steuerklasse III erfolgt. Folglich setzte es Schenkungsteuer fest.
Anmerkungen
1. Als Schenkung gilt jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Eine solche freigebige Zuwendung setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt. Diese ist gegeben, wenn der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Ob eine Bereicherung des Empfängers vorliegt und welche Personen als Zuwendender und als Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt sind, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage.
2. Wird ein Vermögensgegenstand einer Person geschenkt und schenkt diese den Vermögensgegenstand einem Dritten, ist für die Bestimmung des jeweiligen Zuwendenden und des jeweiligen Bereicherten darauf abzustellen, ob die weitergebende Person eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der Verwendung des geschenkten Gegenstands hat.
3. Erhält jemand als Durchgangs- oder Mittelsperson eine Zuwendung, die er entsprechend einer bestehenden Verpflichtung in vollem Umfang an einen Dritten weitergibt, liegt nur eine Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden an den Dritten vor. Wegen der Verpflichtung zur Weitergabe besteht keine Bereicherung der Mittelsperson aus dem Vermögen des Zuwendenden; eine Schenkung der Mittelsperson an den Dritten kommt nicht in Betracht.
4. Wendet der Bedachte den ihm zugewendeten Gegenstand ohne eine solche rechtliche Verpflichtung freigebig einem Dritten zu, scheidet die Annahme einer Schenkung des Zuwendenden an den Dritten aus. Vielmehr liegen eine Schenkung des Zuwendenden an den Bedachten und eine Schenkung des Bedachten an den Dritten vor.
5. Ob ein Bedachter über einen zugewendeten Gegenstand frei verfügen kann oder diesen einem Dritten zuwenden muss, ist unter Berücksichtigung der abgeschlossenen Verträge, ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie der mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Ziele der Vertragsparteien zu entscheiden. Die Verpflichtung zur Weitergabe kann sich aus einer ausdrücklichen Vereinbarung im Schenkungsvertrag oder aus den Umständen ergeben. Maßgebend für die Beurteilung ist die Gesamtheit der objektiven Gegebenheiten.
6. Für die Annahme einer Weitergabeverpflichtung des Bedachten reicht es nicht aus, dass der Zuwendende weiß oder damit einverstanden ist, dass der Bedachte den zugewendeten Gegenstand unmittelbar im Anschluss an die Schenkung an einen Dritten weiterschenkt.
7. Eine Weitergabeverpflichtung des zuerst Bedachten ist nicht schon deshalb anzunehmen, weil die Schenkung und die Weiterschenkung in zwei zeitlich unmittelbar aufeinanderfolgenden notariellen Urkunden vereinbart wurden und der zuerst Bedachte den geschenkten Gegenstand vor der sich unmittelbar anschließenden Weiterschenkung nicht tatsächlich als Eigentümer nutzen konnte.
8. Von einer Weitergabeverpflichtung des zuerst Bedachten kann auszugehen sein, wenn dieser noch vor Ausführung der freigebigen Zuwendung an ihn den Gegenstand an einen Dritten weiterschenkt. In diesem Fall kann die Dispositionsmöglichkeit des zuerst Bedachten fehlen. Die Zusammenfassung einer Schenkung und einer sich anschließenden Weiterschenkung eines Grundstücks in einer Urkunde führt aber zu einer zeitgleichen Vereinbarung von Schenkung und Weiterschenkung, so dass der zuerst Bedachte damit regelmäßig keine Entscheidungsfreiheit in Bezug auf das weitergeschenkte Grundstück erlangen wird. Das gilt nur dann nicht, wenn sich aus dem Vertrag oder den Umständen eindeutig etwas anderes ergibt.