1. Art. 3 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses ist dahin auszulegen, dass ein Vertrag, in dem eine Person vorsieht, dass bei ihrem Tod das Eigentum an einer ihr gehörenden Liegenschaft auf andere Vertragsparteien übergeht, einen Erbvertrag im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
2. Art. 83 Abs. 2 der Verordnung Nr. 650/2012 ist dahin auszulegen, dass er nicht auf die Prüfung der Wirksamkeit einer Rechtswahl anzuwenden ist, die vor dem 17. August 2015 lediglich für einen Erbvertrag im Sinne von Art. 3 Abs. 1 Buchst. b dieser Verordnung, der einen bestimmten Vermögenswert des Erblassers und nicht dessen gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen betrifft, getroffen wurde.
EuGH, Urteil vom 09.09.2021, C-277/20
Anmerkung
Nach Art. 3 Abs. 1 (1) b) EuErbVO ist ein ‚Erbvertrag‘ eine Vereinbarung, einschließlich einer Vereinbarung aufgrund gegenseitiger Testamente, die mit oder ohne Gegenleistung Rechte am künftigen Nachlass oder künftigen Nachlässen einer oder mehrerer an dieser Vereinbarung beteiligter Personen begründet, ändert oder entzieht. Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung durchaus überraschend. Nahegelegen hätte es auch - wie bei einem Schenkungsversprechen von Todes wegen - zwischen "ausgeführten" und "nicht-ausgeführten" Schenkungen zu unterscheiden. Möglicherweise ist das Fehlen einer solchen Unterscheidung auch dem Umstand geschuldet, dass es in dem Fall hierauf nicht ankam.