OLG Bremen zur Rückverweisung aus dem Erbrecht von England und Wales bei Grundvermögen in Deutschland

Das Hanseatische OLG Bremen hat mit Beschluss vom 16. 4. 2020 – 3 W 9/20 Folgendes entschieden: 

1. Ein vollmachtloser Vertreter kann nicht für eine im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits verstorbene, d.h. nicht (mehr) existente Person auftreten, mit der Folge, dass die Erben der Verstorbenen die Erklärung genehmigen könnten. § 177 BGB ist auf eine derartige Konstellation nicht, auch nicht analog, anwendbar.

2. Eine Rückverweisung des Rechtes von England und Wales im Hinblick auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen in unbewegliches Vermögen auf das deutsche Recht als das Recht am Ort der Belegenheit (lex rei sitae) ist zu beachten.

3. Soweit Kraft Rückverweisung deutsches Erbrecht zur Anwendung kommt, kann ein in England bestellter Nachlassabwickler (administrator) nicht über den dem deutschen Recht unterfallenden Grundbesitz in Deutschland verfügen. 

Auszug aus den Gründen

"Gemäß § 104 BGB kann jedoch nur eine rechts- und geschäftsfähige Person eine Willenserklärung abgeben. Die Rechts- und Geschäftsfähigkeit für die Verkäuferin zu 5) richtet sich gemäß Art. 7 EGBGB nach englischem Recht. Diese war im Zeitpunkt der Vertragsbeurkundung bereits verstorben und konnte deshalb keine Erklärungen abgeben. Nach allen Rechtsordnungen endet die Rechtsfähigkeit mit dem Tod einer Person (Ludwig in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., Art. 7 EGBGB Rdnr. 14, Stand: 01.03.2020), sie kann dementsprechend auch keine Willenserklärungen mehr abgeben.

Auch ein vollmachtloser Vertreter kann nicht für eine im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung bereits verstorbene, d.h. nicht (mehr) existente Person auftreten, mit der Folge, dass die Erben der Verstorbenen die Erklärung genehmigen könnten. § 177 BGB ist auf eine derartige Konstellation nicht, auch nicht analog, anwendbar. Allerdings wird vereinzelt vertreten, dass die Vorschrift auch eingreifen soll, wenn für eine nicht existierende Person gehandelt wird. Darunter wird allerdings regelmäßig eine (noch) nicht existierende juristische Person verstanden (z.B. OLG Hamm Urteil vom 12.09.1997 –29 U 191/96 Rdnr. 16, LG Berlin, Urteil vom 25. Juni 2019 – 22 O 50/18 Rdnr. 27–, juris, Palandt/Ellenberger 79. Aufl. 2020 § 177 BGB Rdnr.3, Ulrici in BeckOGK § 177 BGB Rdnr. 70 ff.). Im Falle der Vertretung einer nicht existierenden Person ist regelmäßig die Anwendung von § 179 BGB von entscheidender Bedeutung, d.h. die Frage, ob der für eine nicht existierende Person auftretende (vollmacht- lose) Vertreter für die von ihm abgegebene Erklärung haftet (vgl. BGH, Beschl. v. 5. 2. 2013 – VIII ZR 276/12 Rdnr.1 – beck-online, Palandt-Ellenberger a.a.O.; Ulrici a.a.O. Rdnr.72). Um die Haftung des Vertreters ohne Vertretungsmacht geht es jedoch in der hier zu treffenden Entscheidung über eine Grundbucheintragung nicht.

Es besteht auch kein Bedürfnis für eine analoge Anwendung des § 177 BGB auf eine bereits verstorbene natürliche Person, es liegt insbesondere keine Regelungslücke vor. Das Vermögen geht im Zeitpunkt des Todes auf die Erben über (§ 1922 Abs.1 BGB), so dass diese über die Nachlassgegenstände verfügungsbefugt sind. Sollten die Erben unbekannt sein, so besteht die Möglichkeit der Nachlasspflegschaft gemäß

§ 1960 Abs.2 BGB, so dass der Nachlasspfleger (für die unbekannten Erben) die Verfügungsbefugnis hat.

Im zu entscheidenden Fall fiel der Grundstücksanteil der Verkäuferin zu 5) bereits im Zeitpunkt der Beurkundung in den Nachlass der Verstorbenen. Berechtigt sind deren– offensichtlich auch bekannte - Erben.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich – insbesondere aus der notariellen Urkunde nicht – dass die Verkäuferin zu 5) etwa noch zu Lebzeiten dem anderen Teileigentümer eine Vollmacht erteilt hätte, die über ihren Tod hinaus Geltung gehabt hätte. Eine sol- che wäre – nach deutschem Recht – zu berücksichtigen gewesen, allerdings hätten auch dann die Erben vertreten werden müssen (vgl. Palandt/Weidlich 79. Aufl. 2020 Einf. vor § 2197 BGB Rdnr. 10).

Ob in diesem Fall u.U. der „administrator“ berechtigt war, Erklärungen für den Nach- lass abzugeben, kann insoweit dahingestellt bleiben, denn er hat keine eigenen Erklärungen für den Nachlass abgegeben, sondern Erklärungen Dritter genehmigt. Angesichts der eindeutigen notariellen bzw. notariell beglaubigten Erklärungen kann auch – unabhängig davon, ob der „administrator“ dazu berechtigt wäre – die Genehmigungserklärung nicht in eine eigene Veräußerungs- bzw. Bewilligungserklärung umgedeutet werden.

Aus diesem Grunde sind sowohl die schuldrechtliche Verkaufserklärung für den Anteil der Verstorbenen als auch – was im Rahmen des Verfahrens auf Grundbucheintragung wichtiger ist – die entsprechende Eintragungsbewilligung unwirksam, so dass mangels Einwilligung der Voreingetragenen eine Eintragung weder der Grundschuld noch der Auflassungsvormerkung erfolgen kann.

Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgende Umstände hin:

Gemäß Art. 21 EU-ErbVO ist auf die Rechtsnachfolge nach dem Tod der Teileigentümerin mit dem letzten gewöhnlichen Aufenthalt in England englisches Recht anzuwenden. Art. 21 EU-ErbVO ist gemäß Art.20 EU-ErbVO auch anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedsstaats ist. Das gilt auch für das Recht des Vereinigten Königreichs, weil es die EU-ErbVO nicht gezeichnet hat und damit – auch während seiner Mitgliedschaft in der Europäischen Union bzw. in der Übergangszeit nach dem Austritt - als Drittstaat gilt (vgl. BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 20 Rn. 20, Geimer/Schütze Int. Rechtsverkehr/Schall/Simon, 58. EL Oktober 2019, EuErbVO Art. 1 Rn. 3 – beck-online).

Aus diesem Grunde ist auch Art. 34 EU-ErbVO anzuwenden, mit der Folge, dass die in England aufgrund der Nachlassspaltung hinsichtlich des beweglichen und unbeweglichen Vermögens geltende Rückverweisung auf das lex rei sitae (dazu Kroiß/Ann/Mayer- Odersky Großbritannien 5. Aufl. 2018 Rdnr. 3,4 – beck-online) zu beachten ist. Deutschland ist Mitgliedsstaat gem. Art. 34 Abs.1 lit a) EU-ErbVO, so dass es sich um eine reine Sachnormverweisung handelt (dazu: BeckOGK/J. Schmidt, 1.2.2020, EuErbVO Art. 34 Rn. 5).

Danach gilt für das hier betroffene unbewegliche Vermögen der Verkäuferin zu 5) deutsches Recht. Infolgedessen muss auch für die Abwicklung des unbeweglichen Nachlasses deutsches Recht gelten (dazu Kroiß/Ann/Mayer- Odersky a.a.O. Rdnr. 16), so dass der in England bestellte „administrator“ keine Erklärungen für den Nachlass abgeben kann. Eine entsprechende Funktion ist dem deutschen Recht unbekannt, da es sich dabei nicht um eine – vom Erblasser verfügte – Testamentsvollstreckung handelt (vgl. Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage 2019 §48 Rdnr. 51 – beck-online).

Für den in Deutschland befindlichen unbeweglichen Nachlass sind daher nur die ausgewiesenen Erben verfügungsbefugt."

Anmerkung

Berchtold (BWNotZ 2020, 199) weist zu Recht darauf hin, das der vollmachtlose Vertreter für die Erben handeln kann und diese durch Genehmigung nach § 177 Abs. 1 BGB die Wirksamkeit des Vertrags herbeiführen können. 

Zutreffend hat das OLG Bremen angenommen, das Vereinigte Königreich kein Mitgliedsstaat im Sinne der EuErbVO ist und somit eine Rückverweisung auf das deutsche Recht nach Art. 34 EuErbVO angenommen wird.  

Zuzustimmen ist auch der Auffassung, dass der Nachlassabwickler (administrator) kein Verfügungsrecht über ein nach deutschem Recht von Todes wegen übergehendes Grundstück hat. Zwar geht nach dem Recht von England und Wales das gesamte Vermögen des Erblassers in England und Wales auf den Nachlassabwickler (administrator oder executor) über und ein solcher Nachlassabwickler kann auch im Ausland über den Nachlass verfügen; dies gilt aber nur, wenn das ausländische Recht dies zulässt. Dies ist im Falle der Bundesrepublik Deutschland nicht der Fall soweit deutsches Recht im Hinblick auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Sinne der EuErbVO zur Anwendung kommt und die Bestellung des Nachlassabwicklers nicht ihren Grund im Willen des Testators hat.

Anders zu beurteilen wäre der Fall gewesen, wenn der Erblasser eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO getroffen hätte, da in einem solchen Fall nach Art. 34 Abs. 2 EuErVO eine Rückverweisung ausscheidet und im Hinblick auf die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen im Sinne der EuErbVO - diese umfasst auch die Befugnisse eines "anderen Nachlassverwalters" (siehe Art. 23 Abs. 2 lit. f) EuErbVO) -  das Recht von England und Wales anzuwenden gewesen wäre. In einem solchen Fall hat nach unserer Auffassung jeder von einem Gericht in England und Wales bestellter Nachlassabwickler (gleich ob executor oder administrator) das alleinige Verfügungsrecht auch betreffend das Grundvermögen in Deutschland und kann Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses verlangen. Soweit bewegliches Vermögen in Deutschland von Todes wegen übergeht und der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Domizil (domicile) in England hat, hat nach unserer Auffassung Entsprechendes zu gelten. 

Zur Nachlassabwicklung in England und Wales finden Sie Informationen in unserem Beitrag Probate und Administration - das Verfahren zur Abwicklung eines Nachlasses in England.

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