Gefahr der Doppelbesteuerung im deutsch-englischen Erbfall
Zwischen dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (United Kingdom, kurz: UK) und Deutschland besteht auf dem Gebiet des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts kein Doppelbesteuerungsabkommen. Das bestehende Doppelbesteuerungsabkommen betrifft nur Steuern auf Vermögen und Einkommen. Daher besteht die Gefahr der Doppelbesteuerung, wenn
- der Erwerb in Deutschland nach den Regeln des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) steuerpflichtig ist (zur Steuerpflicht siehe den Beitrag "Erbschaftsteuer - Steuerpflicht in Deutschland") - und
- der Vermögensübergang im UK steuerbar ist (siehe hierzu den Beitrag "Erbschaftssteuer im UK (England & Wales, Schottland, Nordirland)".
Beispiel: Erblasser E, Britischer Staatsangehöriger, verstirbt mit letztem Domizil (Domicile) in England. Er vermacht seinen in Deutschland lebenden Kindern K 1 und K 2 ein Haus in London und das Guthaben eines Bankkontos bei einer Bank in London. Das Vereinigte Königreich besteuert den weltweiten Vermögensübergang aufgrund des Domizils des Erblassers. Deutschland besteuert den Vermögensanfall von K 1 und K 2 wegen deren Wohnsitz in Deutschland.
Anrechnung englischen Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG
Mangels eines Doppelbesteuerungsabkommens auf dem Gebiet des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts kann die Doppelbesteuerung unter den Voraussetzungen des § 21 ErbStG vermieden werden. Die Anrechnung nach § 21 ErbStG setzt voraus, dass
- wenigstens ein Beteiligter unbeschränkt steuerpflichtig ist,
- zum Erwerb Auslandsvermögen gehört und dieses im In- und Ausland steuerbar ist,
- die ausländische Steuer der deutschen Erbschaftsteuer entspricht,
- die ausländische Steuer im Ausland festgesetzt und gezahlt wurde,
- die deutsche Steuer innerhalb von 5 Jahren seit der Entstehung der ausländischen Steuer entstanden ist und
- ein Antrag auf Anrechnung gestellt wurde.
Unter Umständen ist die Anrechnung nur der Höhe nach begrenzt (Anrechnungshöchstbetrag).
Unbeschränkte Steuerpflicht wenigstens eines Beteiligten
Die Anrechnung der ausländischen Erbschaftssteuer kommt nur in Betracht, wenn wenigstens einer der Beteiligten unbeschränkt steuerpflichtig im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist. Im Falle der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht kommt eine Anrechnung nach § 21 ErbStG auf die deutsche Steuer daher nicht in Betracht.
Hinweis: Wenn eine Anrechnung in Deutschland nicht möglich ist, sollte geprüft werden, ob eine Anrechnung der deutschen Steuer auf die englische Erbschaftsteuer möglich ist.
Englische Erbschaftsteuer als eine der deutschen Steuer entsprechende Steuer
Die englische Erbschaftsteuer wird - anders als die deutsche Erbschaftsteuer - auf den ungeteilten Nachlass erhoben. Allerdings erkennt die Finanzverwaltung an, dass die englische Steuer im Grundsatz angerechnet werden kann (ErbStR R E 21 Abs. 1 S. 1). In diesem Fall kann der anteilig auf den Begünstigten entfallende Betrag zu versteuern (ErbStR R E 21 Abs. 1 S. 1).
Beispiel: Im Ausgangsfall zahlt der Nachlassabwickler (personal representative) aus dem Nachlass (estate) umgerechnet EUR 200.000 an englischer Erbschaftsteuer. Die Begünstigten, K 1 und K 2, erhalten den Rest zu je 1/2. Jeder kann 1/2 der englischen Erbschaftsteuer, also EUR 100.000,--, anrechnen lassen.
Der Erwerb ist im In- und Ausland steuerbar
Weitere Voraussetzung für eine Anrechnung nach § 21 ErbStG ist, dass der Erwerb in Deutschland und England steuerbar ist. Das Auslandsvermögen darf daher nicht in vollem Umfang in Deutschland steuerfrei sein. Teilbefreiungen (z.B. Hausrat, § 13 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) oder ein niedriger Wertansatz im Inland (BFH 10.7.63, HFR 64, 12) sind hingegen unschädlich.
Auslandsvermögen
Es wird nur die Steuer, die im Ausland auf das Auslandsvermögen angefallen ist, angerechnet. Was unter "Auslandsvermögen" zu verstehen ist, hängt von der Situation ab:
- War der Erblasser Inländer, gelten gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 ErbStG als Auslandsvermögen nur alle Vermögensgegenstände der in § 121 BewG genannten Art (Inlandsvermögen), die auf einen ausländischen Staat entfallen (enger Auslandsvermögensbegriff).
- Wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes kein Inländer war, gelten gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG als Auslandsvermögen alle Vermögensgegenstände mit Ausnahme des Inlandsvermögens im Sinne des § 121 BewG (weiter Auslandsvermögensbegriff).
Zu den Vermögensgegenständen der in § 121 BewG genannten Art, gehören insbesondere nicht
- das Guthaben eines Giro- oder Sparkontos,
- Wertpapiere in einem Depot,
- bewegliche Sachen (z.B. PKW, Yacht) oder
- Bargeld.
Betreffend solcher Vermögensgegenstände ist eine Anrechnung daher nur dann zulässig, wenn der Erblasser kein Inländer war (vgl. auch BFH, Urteil v. 19.6.2013, II R 10/12; BFH Beschluss vom 16.01.2008, AZ II R 45/05). Die Regelung verstößt nicht gegen europäisches Recht (EuGH, Urteil vom 12.02.2009, Az: C-67/08).
Festsetzung und Zahlung der englischen Erbschaftsteuer
Die Anrechnung kann nur erfolgen nachdem die englische Steuer erklärt und gezahlt wurde. Eine (vorläufige) Erklärung erfolgt zwar bereits zu Beginn des probate-administration Nachlassverfahrens, eine abschließende Berechnung erfolgt aber oftmals erst viele Monate später. Zur Vermeidung von Liquiditätsproblemen sollte daher darauf hingewirkt werden, dass die deutsche Steuer möglichst erst nach Abschluss der Nachlassabwicklung in England zu erklären ist.
5-Jahresfrist
Die englische Erbschaftsteuer ist nur anrechenbar, wenn die deutsche Erbschaftsteuer für das Auslandsvermögen innerhalb von fünf Jahren seit dem Zeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaftsteuer entstanden ist.
Hinweis: Die englische Erbschaftsteuer entsteht regelmäßig mit dem Tod des Erblassers- auch wenn sie oft erst viel später gezahlt wird. Wenn England den Übergang auf einen Treuhandvermögen (trust) besteuert hat, kann aber eine Anrechnung der Steuer wegen der 5-Jahresfrist ausgeschlossen sein (Finanzgericht Düsseldorf, Urteil v. 25.10.2016 - 4 K 2239/14 Erb)
Anrechnungshöchstbetrag
Besteht der Nachlass nur zum Teil aus Auslandsvermögen, so kann in England gezahlte englische Erbschaftsteuer nur bis zu einem Höchstbetrag angerechnet werden, der sich aus folgender Formel ergibt:
Deutsche Erbschaftssteuer x (steuerpflichtiges Auslandsvermögen ./. steuerpflichtiges Gesamtvermögen).
Anrechnungshöchstbetrag bei Vermögen in verschiedenen Staaten im Ausland
Ist das Auslandsvermögen in verschiedenen ausländischen Staaten belegen, ist dieser Teil für jeden einzelnen ausländischen Staat gesondert zu berechnen.
Antrag auf Anrechnung
Die Anrechnung der englischen Erbschaftssteuer erfolgt nur auf Antrag. Hatte der Erblasser Vermögen in mehreren Staaten, ist der Antrag für jeden Staat gesondert zu stellen.
Der Antrag bedarf keiner bestimmten Form oder Frist. Wird die englische Erbschaftsteuer gezahlt nachdem Bestandskraft des deutschen Bescheids eingetreten ist, liegt ein rückwirkendes Ereignis i.S.v. § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor und der Bescheid ist zu ändern.
Der Erwerber hat den Nachweis über die Höhe des Auslandsvermögens und über die Festsetzung und Zahlung der ausländischen Steuer durch Vorlage entsprechender Urkunden zu führen (§ 21 Abs. 3 ErbStG). Die Höhe es Auslandsvermögens kann regelmäßig durch Vorlage der Erklärung (IHT 400) geführt werden. Da das Steuerverfahren ein Selbstveranlagungsverfahren ist, tritt an die Stelle der Festsetzung ein Nachweis über die Nichtbeanstandung der Erklärung (z.B. clearance certificate). Die Zahlung kann durch Vorlage einer Abrechnung (calculation) nachgewiesen werden.