Anwendbares Erbrecht
Bevor das Erbrecht von Ontario dargestellt wird, soll zunächst erläutert werden, wann dieses überhaupt anzuwenden ist.
Sicht von Ontario
Aus der Sicht eines Gerichtes von Ontario ist zur Bestimmung des anwendbaren Erbrechts (Erbstatut) an die Regeln des Succession Law Reform Act (SLRA) und die Common-Law Regeln anzuknüpfen. Diese unterscheiden zwischen dem auf Immobilien/unbewegliche Sachen und auf Mobilien/beweglichen Sachen anzuwendenden Recht: Im Hinblick auf bewegliches Vermögen (movables) das Recht des letzten Domizil (domicile) des Erblassers an. Im Hinblick auf das unbewegliches Vermögen (immovables) ist das Recht des Ortes, an dem es sich das unbewegliche Vermögen befindet, also das Belegenheitsrecht (lex rei sitae) anzuwenden. Zur Vertiefung wird auf den Beitrag Internationales Erbrecht (IPR) - Kanada - Provinz Ontario verwiesen.
Deutsche Sicht
Deutsche Gerichte und andere öffentliche Institutionen ermitteln hingegen bei Erbfällen ab dem 17.08.2015 (für Erbfälle vor dem 17.08.2015 und Einzelheiten siehe den Beitrag "Internationales Erbrecht - Deutschland) das anwendbare Erbrecht nach den Regeln der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Danach wenden deutsche Gerichte im Grundsatz das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts an. Allerdings gibt es von dem Grundsatz einige Ausnahmen; so ist auf unbewegliches Vermögen eines Erblassers mit letzten gewöhnlichen Aufenthalt von Ontario "Kraft Rückverweisung" deutsches Erbrecht anzuwenden. Außerdem kann der Testator durch Testament das Recht einer Staatsangehörigkeit, die er im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments oder seine Todes hat, wählen (Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO). Vorsicht: Ob die Rechtswahl aus Sicht von Ontario wirksam ist, ist eine andere Frage. Daher kann es bei Rechtswahl im Einzelfall zu Forum Shopping Situationen kommen.
Testamentarische Erbfolge
Das Erbrecht von Ontario ist vom Grundsatz vom Prinzip der Testierfreiheit bestimmt. Folglich kann der Erblasser im Grundsatz im Testament anordnen, was er will. Er kann z.B. anordnen, wer einen Vermögensgegenstand erhalten soll, wer den Restnachlass (residue) erhalten soll oder wer Nachlassabwickler (personal representative), der in Ontario auch als Nachlass-Treuhänder (estate trustee) bezeichnet wird. Regeltestament ist das Zwei-Zeugen-Testament. Auch ein eigenhändiges Testament ist aber wirksam. Ein nach dem Recht eines anderen Staates oder einer anderen Provinz wirksam errichtetes Testament kann der Form nach wirksam sein. Für vertiefende Informationen zur testamentarischen Erbfolge verweisen wir auf den Beitrag Testamentarische Erbfolge im Erbrecht von Ontario.
Pflichtteil und angemessene Beteiligung am Nachlass
Ein Pflichtteil im Sinne einer quotalen Beteiligung am Wert des Nachlasses wie im deutschen Erbrecht ist in Ontario unbekannt. Allerdings können abhängige oder bedürftige Personen (z.B. minderjähriges Kind, Ehegatte, Lebensgefährte), welche dem Erblasser nahe standen, nach den Regeln des Part V (Support of Dependants) des SLRA Zahlungen aus dem Nachlass verlangen. Der überlebende Ehegatte kann außerdem nach dem Family Law Act anstelle des ihm Zugewandten Ausgleich des Vermögens wie im Scheidungsfall verlangen.
Gesetzliche Erbfolge nach dem Recht von Ontario
Die gesetzliche Erbfolge ist in Part II SLRA (Intestate Succession) geregelt. Danach erhält der überlebende Ehegatte den gesamten Nachlass, wenn der Erblasser nicht von Kinder oder anderen Abkömmlingen überlebt wird. Wird der Erblasser von Kindern überlebt, erhält der überlebende Ehegatte vorab einen Festbetrag (derzeit CAD 200.000). Sodann erhält er die Hälfte des verbleibenden Nachlasses. Neben mehreren Kindern erhält der überlebende Ehegatte nur 1/3. Weiterführende Informationen finden Sie in dem Beitrag Ontario- Gesetzliche Erbfolge.
Ausschlagung der Erbschaft
Ein gesetzlicher Erbe oder testamentarisch Begünstigter kann die Erbschaft formlos und zeitlich unbefristet ausschlagen (Biderman v. Canada, 2000 CanLII 14987 [FCA]). Allerdings muss er regelmäßig das ihm Zugewandte entweder insgesamt annehmen oder insgesamt ausschlagen. Eine Teilausschlagung ist regelmäßig unzulässig (In Re Skinner, 1970 CanLii 360). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es mehrere Zuwendungen gab, die nach dem Willen des Erblassers gesondert angenommen oder ausgeschlagen werden können sollen.
Nachlassverfahren in Ontario
Mit dem Tod des Erblasser geht das Vermögen des Erblassers auf den Nachlassabwickler (estate trustee) über, der den Nachlass für die gesetzlichen Erben bzw. testamentarisch Begünstigten verwaltet und an diese verteilt. Weiterführende Informationen finden Sie in dem Beitrag Das Probate-administration Nachlassverfahren in Ontario.
Joint Tenancy im Recht von Ontario
Das Recht von Ontario kennt den Übergang von Vermögensgegenständen auf den Tod im Wege der Joint Tenancy. Nach den Common-law Regeln von Ontario wird vermutet, dass gemeinschaftliche Vermögensgegenstände als Joint Tenancy gehalten werden. Für Grundvermögen gilt dies aber nicht (s.13(1) of the Conveyancing and Law of Property Act). Zur Vertiefung verweisen wir auf den Beitrag Joint Tenancy im kanadischen Recht.
Trusts in Ontario
Lebzeitge Trusts (Living trust) werden wegen steuerlicher Nachteile in Kanada nur selten als Mittel der Vermögensnachfolgeplanung verwendet. Testamentarische Trusts gibt es hingegen häufiger. Vorsicht: Bezügen zu Deutschland kann ein trust steuerlich ungewollte Wirkungen haben. Hierzu verweisen wir auf unseren Beitrag Besteuerung von Common-law Trusts in Deutschland.
Steuern des Staates Kanada auf den Tod
In Kanada wird keine Erbschaftsteuer oder Nachlasssteuer erhoben. Allerdings besteuert Kanada den Wertzuwachs aus fingierter Veräußerung auf den Tod (Capital Gains Tax, kurz CGT). Zur Vertiefung verweisen wir auf den Beitrag Kanada: Erbschaftsteuer und Steuern im Erbfall.
Steuern der Provinz Ontario auf den Tod
Ontario erhebt nach den Estate Administration Tax Acts (EATA) die sog. Estate Administration Tax (EAT). Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erbschaftssteuer, Nachlasssteuer und andere Steuern im Ontario-Erbfall
Deutsche Erbschaftssteuer
Bei Bezügen zu Deutschland kann deutsche Erbschaftsteuer anfallen. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erbschaftssteuer: Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.