Erbschaftssteuer im UK (England & Wales, Schottland, Nordirland)

Bei einer deutsch-englischen Erbschaft stellt sich oftmals die Frage, ob englische Erbschaftssteuer oder deutsche Erbschaftsteuer - oder beides - anfällt und wie die Doppelbesteuerung vermieden wird. Der Beitrag erläutert, wann und wie England die Erbschaft besteuert und verweist betreffend die Besteuerung in Deutschland sowie die Vermeidung der Doppelbesteuerung auf weiterführende Beiträge.

Grundlagen

Im gesamten Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (United Kingdom, kurz: UK) - nicht aber auf den Jersey Island, Guernsey, Isle of Man oder anderem Besitz der Krone (crown dependancy) -  wird auf der Grundlage des Inheritance Tax Act 1984 (IHTA) eine Todesfallsteuer - die "UK  inheritance tax" -  erhoben.

In der deutschsprachigen Literatur wird diese Steuer zumeist als "Nachlasssteuer" bezeichnet, da sie – anders als die deutsche Erbschaftsteuer - auf den ungeteilten Nachlass erhoben wird und nicht auf den Erwerb der Begünstigten (sog. Erbanfallsteuer). Zur Vereinfachung wird die IHT nachfolgend gleichwohl als "englische Erbschaftsteuer" bezeichnet.

Gegenstand der Besteuerung ist der unentgeltliche und nicht steuerbefreite Vermögensübergang (chargable transfer). Dies schließt Erwerbe von Todes wegen und zu Lebzeiten ein. 

Unbeschränkte Steuerpflicht

Der weltweite Vermögensübergang wird besteuert (unbeschränkten Steuerpflicht), wenn der Erblasser bei seinem Tod (oder anderem Zeitpunkt der Übertragung) sein Domizil (domicile) im UK hatte. Der steuerliche Begriff des Domizil entspricht dabei im Grundsatz dem des Common Law. Allerdings wird nach Art. 267 (1) IHTA eine Person, die kein Domizil im UK hatte dennoch als im UK domiziliert behandelt, wenn sie

  • in den letzten drei Jahren im UK ihr Domizil hatte oder
  • in den letzten 20 Jahren mindestens 15 Jahre im UK ihren Wohnsitz i. S. d. Einkommensteuergesetzes hatte und in den letzten 4 Jahren vor dem Stichtag mindestens ein Jahr seinen Wohnsitz im UK hatte. 

Hinweis: Auf den Erwerber (Erben, Vermächtnisnehmer) kommt es nicht an. 

Daneben kann sich ein aus Doppelbesteuerungsabkommen (z.B.  USA (1979/1522)) etwas anderes ergeben. 

Hinweis: Zwischen Deutschland und dem UK gibt es kein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschafts-, Nachlass oder Schenkungsteuer. 

Beschränkte Steuerpflicht

In allen anderen Fällen unterliegt der Nachlass nur der beschränkten Steuerpflicht (situs taxation), d.h. nur das Vermögen im UK wird besteuert. Hierzu gehören 

  • Grundvermögen und dessen Inventar,
  • Im UK registrierte Geschäftsanteile (shares) und
  • (im Grundsatz) Forderungen gegen eine Person mit Sitz im UK (z.B. aus Kontokorrent oder Sparvertrag). 

Hinweis: Grundvermögen im UK, welches über einen offshore-trust oder eine offshore Gesellschaft außerhalb des UK gehalten wird, unterliegt somit nicht der IHTA, wenn der Erblasser kein Domizil im UK hatte.  Allerdings gibt es Bestrebungen, dies zu ändern. Regelungen hierzu waren auch im 2017 Finance Act enthalten, wurde aber wegen der anberaumten Neuwahlen zurück gestellt. 

Bewertung

Gemäß Art. 160 IHTA 1984 ist der Wert eines Vermögensgegenstands zu einem beliebigen Zeitpunkt der Preis, der bei einem Verkauf auf dem freien Markt zu diesem Zeitpunkt vernünftigerweise erwartet werden kann.  

Wird ein Grundstück innerhalb von vier Jahren nach dem Tod des Erblassers verkauft, kann der Verkaufspreis an die Stelle des Nachlasswertes treten (190-198 IHTA). Die Entlastung muss innerhalb von sieben Jahren nach dem Tod beantragt werden.

Nach Ansicht der HMRC (Inheritance Tax Manual (IHTM, para. 33026) gilt dies aber nur für die UK-Nachlasssteuer und nicht für die UK Capital Gains Tax, obwohl nach TCGA 1992, s. 274 ein für IHT-Zwecke ermittelter Wert der Wert zum Zeitpunkt des Todes für die Zwecke der CGT ist.

Die Erleichterung kann nur in Anspruch genommen werden, wenn die Preisdifferenz £ 1000 oder 5 % des Nachlasswertes beträgt, je nachdem, welcher Wert niedriger ist. Die Nachlassabwickler können die Ermäßigung nicht beantragen, um einen Verkaufspreis zu ersetzen, wenn der Verkauf an eine Person erfolgt ist, die einen wirtschaftlichen Anspruch auf die Immobilie oder ein Eigentumsrecht an der Immobilie hat (oder hätte, wenn die Verwaltung abgeschlossen worden wäre), oder an den Ehegatten, den Lebenspartner oder ein Kind oder einen entfernteren Nachkommen eines solchen Begünstigten. Außerdem kann die Ermäßigung nicht in Anspruch genommen werden, wenn der Verkauf an die Treuhänder einer Siedlung erfolgte, an der eine dieser Personen beteiligt ist (Art. 191 IHTA).

Der Bruttoverkaufspreis von Wertpapieren, die innerhalb von 12 Monaten nach dem Tod des Verstorbenen verkauft wurden, kann an die Stelle des Wertes zum Zeitpunkt des Todes treten, wenn die Wertpapiere zu einem niedrigeren Preis als dem Wert zum Zeitpunkt des Todes verkauft wurden (Art. 178–189 IHTA). Diese Erleichterung gilt für:

(a)Wertpapiere, die zum Zeitpunkt des Todes an einer anerkannten Börse notiert sind;

(b)Beteiligungen an einem zugelassenen Investmentfonds im Sinne des Income Taxes Act 2007, s. 1007 und im Hinblick auf welche eine Anordnung nach Financial Services and Markets Act 2000 in Kraft ist;

(c)Anteile an einer offenen Investmentgesellschaft das im Vereinigten Königreich gegründet wurde und dem Financial Services and Markets Act 2000 unterliegt; und

(d)Anteile an einem gemäß dem Administration of Justice Act 1982 errichteten Investmentfonds.

Die Befreiung muss innerhalb von fünf Jahren nach dem Tod beantragt werden, Art. 179 (2A) IHTA.

Steuerbefreiungen der englischen Erbschaftssteuer

Ausgenommen von der englischen Erbschaftssteuer ausgenommen sind u.a. 

  • Vermögensübergänge von Todes wegen unter einem Betrag von  £325,000 (allgemeiner Freibetrag),
  • bestimmte Altersvorsoergepläne und Pensionen,
  • geringwertige Schenkungen,
  • wohltätige Zuwendungen und
  • bestimmtes Betriebsvermögen und landwirtschaftliches Vermögen. 

Allgemeiner Freibetrag

Der allgemeine Freibetrag (threshold, nil rate band) der englischen Erbschaftsteuer beträgt für Todesfälle vom 6. April 2009 bis 5. April 2018  £325,000.

Steuerbefreiung für den Übergang auf den Ehegatten

Vollständig von der englischen Erbschaftsteuer befreit ist gemäß § 18 IHTA der  Vermögensübergang auf den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner (civil partner).

Folgende Personen sind keine Ehegatten

  • Personen, die zusammenleben, aber nicht rechtmäßig verheiratet sind, unabhängig davon, wie lange die Beziehung gedauert hat (in England, Wales und Nordirland);
  • Parteien einer bigamischen Ehe;
  • Personen, die früher rechtmäßig verheiratet waren, aber vor dem Zeitpunkt des Todes/der Übertragung geschieden wurden.

Lebenspartner sind Paare, die eine vertragliche Partnerschaft eingegangen sind, die nach dem am 5. Dezember 2005 in Kraft getretenen Gesetz über die Lebenspartnerschaft (Civil Partnership Act 2004) förmlich gesetzlich anerkannt ist. Neben im Vereinigten Königreich geschlossenen zivilen Partnerschaften erkennt das Gesetz auch einige ausländische Beziehungen an, insbesondere die in seinem eigenen Anhang 20 aufgeführten Beziehungen (dort ist auch die eingetragene Partnerschaft  nach deutschem Recht gelistet).

Der Begriff "Lebenspartner" gilt nicht für Personen, deren Lebenspartnerschaft vor dem Zeitpunkt des Todes/der Übertragung durch einen Gerichtsbeschluss aufgelöst wurde.

Die Steuerbefreiung wird nicht gewährt, wenn der Erblasser aber nicht der überlebende Ehegatte ein Domizil im UK hatte.  In diesem Fall erhält er nur einen zusätzlichen Freibetrag von £325,000.  Im Ergebnis kann ein Ehegatte £650,000 auf seinen Ehegatten, der nicht im UK sein Domizil hat, übertragen.

Ferner kann der überlebende Ehegatte ohne Domizil im UK wählen, für Zwecke der Erbschaftssteuer als im UK domiziliert zu behandelt zu werden, so dass er von der vollen Freistellung profitiert. Das Wahlrecht kann zu Lebzeiten des im UK domizilierten Erblassers oder binnen einer Frist von 2 Jahren nach seinem Tod ausgeübt werden. 

Freibetrag für das Familienheim

Mit Wirkung für Sterbefälle ab dem 6. April 2017 wurde ein zusätzlicher Freibetrag für das Familienheim (residence nil rate band oder kurz RNRB) eingeführt. Der Nachlass ist zu einem zusätzlichen Freibetrag für das Familienheim berechtigt (RNRB), wenn- der Erblasser am oder nach dem 6. April 2017 verstorben ist,- der Erblasser Eigentümer eines Familienheims oder eines Teils davon war und dieses in seinen Nachlass (estate) gefallen ist- die Abkömmlinge (z.B. Kinder oder Enkel) das Familienheim erben,- der Wert des Nachlasses nicht höher als £2 Mio. ist (sonst wird er in Stufen gekürzt). Der Betrag wird jährlich erhöht und beträgt

£100,000 in 2017 bis 2018,

£125,000 in 2018 bis 2019,

£150,000 in 2019 bis 2020 und

£175,000 in 2020 bis 2021.

Der ungenutzte Freibetrag des Ehegatten kann im Grundsatz auf den Überlebenden übertragen werden. 

Geringwertige Schenkungen

Geringwertige Schenkungen bis £ 250 und die ersten £3,000, welche in einem Steuerjahr verschenkt werden, sind steuerfrei, wobei der Betrag aus dem Vorjahr genutzt werden kann.

Wohltätige Zuwendungen

Vollständig von der Erbschaftsteuer befreit sind außerdem wohltätige Zuwendungen.

Betriebsvermögen und landwirtschaftliches Vermögen

Betriebsvermögen ist im Rahmen des "IHT Business Property Relief Act" steuerbefreit. Landwirtschaftliches Vermögen im Rahmen des Agricultural Property Relief Act

Steuersatz der englischen Erbschaftssteuer

Der Steuersatz (tax rate) für Beträge über dem Freibetrag beträgt 40 %.

Besondere Regeln für Schenkungen zu Lebzeiten

Schenkungen zu Lebzeiten werden vorläufig von der Besteuerung frei gestellt (potentially excempt transfers).

Hinweis: Allerdings wird die Schenkung als eine Veräußerung zum Marktwert für Zwecke der UK capital gains tax behandelt sofern die Veräußerung nicht steuerbefreit ist, z.B. an den Ehegatten oder Partner. 

Übertragungen auf einen trust oder eine Gesellschaft können hingegen eine sofort die IHT (immediately chargable gift) auslösen.

Hinweis: Bei Bezügen zu Deutschland sollte ein Treuhandvermögen (Trust) nur nach vorhergehender Beratung zur Nachlassplanung verwendet werden, da der Übergang auf bestimmte Trusts gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG Schenkungssteuer in der Steuerklasse III auslöst, siehe hierzu unseren Aufsatz "Besteuerung von Common Law Trusts in Deutschland". 

Stirbt der Schenkende binnen 7 Jahren nach der Schenkung, wird die Schenkung bei der Berechnung der IHT auf den Tod des Schenkers hinzu gerechnet. Der Steuersatz wird aber gemäß Art. 7 (5) IHTA wie folgt zu gekürzt (taper relief):  

Jahre zwischen Übertragung und Tod

Ermäßigung in  %

Anteil der steuerbaren Übertragung in %

3 bis 4

20

80

4 bis 5

40

60

5 bis 6

60

40

6 bis 7

80

20

Erklärung der englischen Erbschaftssteuer

In den meisten Fällen ist die englische Erbschaftsteuer binnen 6 Monaten zu erklären und zu zahlen. Die Frist beginnt am Ende des Monats, in welchem der Erblasser verstorben ist. Die Erklärung erfolgt mittels amtlicher Formulare.

Verantwortlich für die Erklärung ist der Nachlassabwickler (personal representative). Vor der (vorläufigen) Erklärung und Zahlung wird ihm nicht der englische Erbschein (grant) erteilt und er kann über den Nachlass nur mit Zustimmung des Gerichts entscheiden (siehe hierzu unseren Aufsatz Probate - das gerichtliche Nachlassverfahren in England). 

Deed of Variation und Ausschlagung

Oftmals wird von englischen Anwälten empfohlen, die Begünstigung mittels einer sog. deed of variation zu ändern. Dies kann allerdings bei Bezügen unerwünschte steuerliche Folgen haben (siehe hierzu unseren Beitrag "Deef of Variation und Erbschaftsteuer/Schenkungssteuer". 

Deutsche Erbschaftsteuer bei Erbschaft aus dem UK

Neben der englischen Erbschaftsteuer kann auch die deutsche Erbschaftsteuer anfallen, z.B. weil der Erblasser einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO in Deutschland hatte oder der Erwerber (z.,B. Erbe) ein Inländer ist, siehe hierzu auch den Beitrag Erbschaftsteuer: Steuerpflicht in Deutschland

Vorsicht: Der Erwerb tritt gemäß § 9 (1) ErbStG mit dem Tod des Erblassers ein.  Dies gilt auch im Fall des Zwischenerwerbs durch einen Nachlassabwickler (BFH, Urteil BStBl. II 1988, 808). Zu einer Erwerbsanzeige nach § 30 ErbStG ist der Erwerber daher oft schon vor Auszahlung durch den Nachlassabwickler verpflichtet. 

Vermeidung der Doppelbesteuerung im deutsch-englischen Erbfall

Zwischen dem UK und Deutschland gibt es auf dem Gebiet der Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer kein Doppelbesteuerungsabkommen. Daher kann die Doppelbesteuerung nur nach den nationalen Regeln vermieden werden. 

Anrechnung der deutschen Erbschaftsteuer auf die englische Erbschaftsteuer

Eine im Ausland festgesetzte  und gezahlte Steuer kann auf die IHT angerechnet werden, wenn sie nach ihrer Art der englischen Steuer entspricht oder durch den Tod ausgelöst wird. Die deutsche Erbschaftssteuer ist eine der englischen Steuer entsprechende Steuer. 

Ist das gesamte Vermögen im Ausland und nicht im UK belegen, kann die gesamte ausländische Steuer angerechnet werden, 159 (1) IHTA. Andernfalls ist nur eine teilweise Anrechnung möglich.

Berechnungsbeispiele finden Sie auf der Seite der Finanzverwaltung (HMRS) des UK. 

Anrechnung der englischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer 

Deutschland rechnet die englische Erbschaftsteuer nach Maßgabe von § 21 ErbStG auf die deutsche Steuer an; allerdings ist dies nicht immer und nicht immer ganz möglich (siehe hierzu den Aufsatz Anrechnung der englischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer.  

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