Beschränkte Steuerpflicht
Unterliegt ein Erwerb nicht der unbeschränkten Steuerpflicht - siehe hierzu den Beitrag "Erbschaftssteuer - Steuerpflicht in Deutschland", ist nur der Erwerb von Inlandsvermögen steuerbar („beschränkte Steuerpflicht“), § 2 (2) Nr. 3 ErbStG. Seit 28.03.2024 unterliegt außerdem der Anspruch auf Übertragung von Inlandsvermögen der beschränkten Steuerpflicht.
Was Inlandsvermögen ist, richtet sich nach § 121 BewG. Danach gehören zum Inlandsvermögen z.B.:
- das inländische land- und forstwirtschaftliche Vermögen;
- das inländische Grundvermögen und Nutzungsrechte hieran, z.B. ein Nießbrauch;
- Anteile an geschlossenen Immobilienfonds (vgl. § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG);
- das inländische Betriebsvermögen;
- Anteile an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Gesellschaft Sitz oder Geschäftsleitung im Inland hat und der Gesellschafter entweder allein oder zusammen mit anderen ihm nahe stehenden Personen im Sinne des § 1 Abs. 2 AStG in der jeweils geltenden Fassung, am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft mindestens zu 10 % unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist.
Merke: Das Inlandsvermögen kann daher nicht mit dem im Inland befindlichen Vermögen gleichgesetzt werden (so explizit BFH Urt. v. 11.03.1966, Az.: III 281/62).
Kein Inlandsvermögen im Sinne von § 121 BewG ist
- das private Guthaben bei inländischen Geldinstituten (vgl. BFH, 19.06.2013 - II R 10/12);
- eine private Darlehensforderung, auch wenn sie durch ein inländisches Grundstück gesichert ist (vgl. BFH, 19.06.2013 - II R 10/12);
- private bewegliche Gegenstände (z.B. Bargeld, Hausrat, Schmuck, Kunstgegenstände, PKW oder Schiffe);
- festverzinsliche Wertpapiere bei einer inländischen Bank (BFH, 19.06.2013 - II R 10/12) oder andere Wertpapiere von Privaten bei einer inländischen Bank;
- Anteile eines Privaten an einer inländischen Kapitalgesellschaft (d.h. z.B. Aktien) unter 10 % i.S.v. § 121 Nr. 4 BewG.
- der Pflichtteilsanspruch eines Nicht-Inländers gegen einen Nicht-Inländer (str.);
- Beteiligungsrechte an einem offenen Immobilienfonds (vgl. § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 11 Abs. 4 BewG);
- ein schuldrechtlicher Anspruch auf Übereignung eines inländischen Grundstücks (vgl. FG München Urteil v. 10.07.2019 - 4 K 174/16 EFG 2019 S. 1545 Nr. 18);
- ein Vermächtnisanspruch auf Übertragung einer Immobilie (vgl. BFH - II R 37/19).
Das deutsche Vermögen einer ausländischen Kapitalgesellschaft unterliegt im Grundsatz nicht der beschränkten deutschen Erbschaftsteuerpflicht. Eine mittelbar über eine ausländische Kapitalgesellschaft gehaltene Beteiligung zählt aber zum Inlandsvermögen, soweit die ausländische Gesellschaft als Treuhänder für Anteile des Erblassers oder Schenkers an der inländischen Kapitalgesellschaft anzusehen ist ( § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO ) oder soweit es sich bei der Zwischenschaltung der ausländischen Gesellschaft um einen Missbrauch steuerlicher Gestaltungsmöglichkeiten handelt ( § 42 AO ). Letzteres kommt in Betracht, wenn für die Einschaltung der ausländischen Kapitalgesellschaft wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und sie keine eigene Wirtschaftstätigkeit entfaltet (R E 4 Abs. 3 ErbStR).
Eine Personengesellschaft (z.B. eine GbR oder KG) wird für Zwecke der Erbschaftsteuer gem. § 10 Abs. 1 S. 4 ErbStG als transparent behandelt, sodass Inlandsvermögen einer Personengesellschaft der Erbschaftsteuer unterworfen wird.
Sachliche Steuerbefreiungen
Die sachlichen Steuerbefreiungen, also § 13 ErbStG, § 13 a ErbStG und § 19 a ErbStG, werden im Fall der beschränkten Steuerpflicht ohne Einschränkung gewährt.
Bewertungsabschläge
Die Steuerbefreiung für zu Wohnzwecken vermietete Grundstücke nach § 13d ErbStG ist auch dann zu gewähren, wenn das Grundstück in einem Drittstaat belegen ist (EuGH, Urteil vom 12. Oktober 2023, C-670/21).
Freibeträge
Allgemeiner persönlicher Freibetrag
Der allgemeine (persönliche) Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG wird im Grundsatz gewährt. Allerdings wird gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG der Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG um einen Teilbetrag gemindert. Dieser Teilbetrag entspricht dem Verhältnis der Summe der Werte des in demselben Zeitpunkt erworbenen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögens und derjenigen, nicht der beschränkten Steuerpflicht unterliegenden Vermögensvorteile, die innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallen sind, zum Wert des Vermögens, das insgesamt innerhalb von zehn Jahren von derselben Person angefallenen ist. Die früheren Erwerbe sind mit ihrem früheren Wert anzusetzen.
Beispiel: A und sein Sohn B leben in Spanien und haben in Deutschland keinen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO. A vererbt B eine Wohnung in Berlin (Wert EUR 200.000) und Barvermögen in Spanien in Höhe von EUR 600.000. Schenkungen hatte B in den letzten 10 Jahren nicht erhalten. Der Freibetrag ist wie folgt zu berechnen: Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG in Höhe von EUR 400.000 abzüglich: [400.000 x EUR 600.000 ./. 800.000] = EUR 100.000.
Aktuelle Entscheidung: § 16 Abs. 2 ErbStG verletzt nicht Unionsrecht (EuGH-Urteil vom 21. Dezember 2021, Rechtssache C-394/20).
Vorsorgefreibetrag
Gemäß § 17 (3) ErbStG wird in den Fällen der beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Absatz 1 Nummer 3) der besondere Versorgungsfreibetrag nach § 17 Absatz 1 oder 2 ErbStG voll gewährt, wenn durch die Staaten, in denen der Erblasser ansässig war oder der Erwerber ansässig ist, Amtshilfe geleistet wird.
Freibetrag für den Zugewinn
Die Steuerfreiheit des Zugewinnausgleichsanspruch (§ 5 ErbStG) wird auch im Fall der beschränkten Steuerpflicht gewährt.
Nach zum Teil vertretener Auffassung soll allerdings nur der Teilbetrag der fiktiven Ausgleichforderung abzugsfähig sein, der dem Anteil des Inlandsvermögens am gesamten Endvermögen des verstorbenen Ehegatten entspricht (Moench/Weinmann § 5 Rz 15). Dies wird mit dem Rechtsgedanken des § 10 Abs. 6 ErbStG begründet. Bei der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung i. S. d. § 5 Absatz 1 ErbStG handelt es sich aber weder nach zivilrechtlichen noch erbschaftsteuerlichen Grundsätzen um eine Schuld bzw. Nachlassverbindlichkeit. Für die Frage der Abzugsfähigkeit kommt es daher nicht auf einen wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Inlandsvermögen an. Folglich ist die fiktive Zugewinnausgleichsforderung i. S. d. § 5 Absatz 1 ErbStG in Fällen der beschränkten Steuerpflicht in vollem Umfang abzugsfähig (so auch: Kapp/Ebeling, § 5 Rz 92; von Oertzen, ZEV 94, 93; T/G/J-Gottschalk, § 5 Rz 215).
Pauschale für Nachlassverbindlichkeiten
Die Pauschale für die Nachlassverbindlichkeiten gemäß § 10 Abs. 5 ErbStG in Höhe von EUR 10.300 wird auch bei beschränkter Steuerpflicht des Erwerbers gewährt. Der Abzug des Pauschbetrags ist nicht durch § 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG ausgeschlossen (R E 10.9). Das FG Niedersachsen, Urt. v. 28.6.2023 – 3 K 169/21 hat allerdings entschieden, dass der Erbfallkostenpauschbetrag nur anteilig in Höhe der Quote des in Deutschland erbschaftsteuerpflichtigen Erwerbs zum Gesamtnachlass zu berücksichtigen ist.
Steuersatz
Gemäß § 19 Abs. 2 ErbStG ist "im Falle des § 2 Absatz 1 Nummer 1 ErbStG ein Teil des Vermögens der inländischen Besteuerung auf Grund eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung entzogen, ist die Steuer nach dem Steuersatz zu erheben, der für den ganzen Erwerb gelten würde". Bisweilen wird dies von Finanzbehörden dahin verstanden, dass bei beschränkter Steuerpflicht der Steuersatz auf der Grundlage des weltweiten Erwerbs zu ermitteln ist. Wie sich aus dem Verweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG und die Bezugnahme auf "Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung" ergibt, sind aber nur die Fälle der unbeschränkten Steuerpflicht gemeint (bei denen das Besteuerungsrecht betreffend bestimmten Vermögenswerten ausschließlich bei einem anderen Staat liegt).
Abzug von Schulden und Lasten
Bei beschränkter Steuerpflicht sind nur die mit dem inländischen Vermögen in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Schulden und Lasten abzugsfähig (§ 10 Abs. 6 S. 2 ErbStG).
Aktuelle Entscheidung: Das FG Düsseldorf hat mit Beschluss vom 20.07.2020 - 4 K 1095/20 Erb hat ernsthafte Zweifel, dass § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG mit europäischem Recht vereinbar ist und hat den EuGH um eine Vorabentscheidung ersucht.
Ein wirtschaftlicher Zusammenhang soll fehlen bei
- einer Darlehensforderung, auch wenn diese durch eine Hypothek gesichert ist; vielmehr müsse die Aufnahme der dem Erwerb (z.B. Bestellung einer Finanzierungshypothek), der Errichtung eines Gebäudes oder seiner Instandhaltung gedient haben (BFH v. 28.9.62, BStBl. III 62, 535).
- Steuerschulden (R E 10.10 Absatz 3 ErbStR), es sei denn die Einkommensteuer wurde durch den Besitz des Inlandsvermögens ausgelöst; ferner ist eine Saldierung zulässig (R 4 Abs. 7 Sätze 2, 3 ErbStR).
- der Pflicht des Erben zur Zahlung des Zugewinnausgleichs (R E 10.10 Absatz 3 ErbStR).
Aktuelle Entscheidung: Währen der BFH (Urteil vom 22. Juli 2015, II R 12/14, BStBl 2016 II S. 230) und die Finanzverwaltung (R E 10.10 Absatz 3 ErbStR; Bayerisches Landesamt für Steuern v. 09.04.2020 - S 3804.1.1 – 4/11 St 34) dem Pflichtteilsschuldner keinen Abzug gewähren wollten, hat der EuGH (Urteil vom 21. Dezember 2021, Rechtssache C-394/20) nun entschieden, dass ein Abzug zu gewähren ist.
Unklar ist, ob Vermächtnisse bei beschränkter Steuerpflicht (vollumfänglich) abzogen werden können. Dies ist nach unserer Auffassung jedenfalls dann zu bejahen, wenn Gegenstand des Vermächtnisses Inlandsvermögen ist oder soweit das Vermächtnis im unmittelbaren Zusammenhang mit Inlandsvermögen steht.
Beispiel: Der Erblasser E mit Wohnsitz in London, UK, wendet seinem Neffen mit Wohnsitz ebenda eine (Ferien-) Immobilie auf Sylt im Wege des Vermächtnisses zu und gibt ihm auf aus den Einkünften aus der Vermietung monatlich EUR 1.000 an K zu zahlen.