Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht

Der Beitrag erläutert einführend die Voraussetzungen für einen wirksamen Erbverzicht und seine Rechtsfolgen.

Rechtsgrundlage und Definitionen

Verwandte sowie der Ehegatte des Erblassers können durch Vertrag mit dem Erblasser bereits vor dem Erbfall auf das (zukünftige) gesetzliche Erbrecht verzichten, § 2346 Abs. 1 BGB (Erbverzicht).

Hinweis: Dies ist nicht mit der Ausschlagung der Erbschaft zu verwechseln. Von einer Ausschlagung der Erbschaft spricht der Jurist, wenn eine zur Erbschaft berufene Person die Erbschaft oder einen Erbteil nach Eintritt des Erbfalls ausschlägt.  

Der Verzicht kann auf das Pflichtteilsrecht beschränkt werden, § 2346 Abs. 2 BGB (Pflichtteilsverzicht). 

Hinweis: Dies ist nicht mit dem Verzicht auf den entstandenen Pflichtteil zu verwechseln. Dieser wird nach dem Erbfall erklärt. 

Zustandekommen des Erbverzichts und Pflichtteilsverzichts: Formfragen

Der Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht ist ein zweiseitiger Vertrag zwischen

  • dem Erblasser und
  • dem Verzichtenden (z.B. Kinder oder Ehegatte).

Der Erblasser kann den Vertrag nur persönlich schließen (§ 2347 Abs. 2 S. 1 BGB); ist er in der Geschäftsfähigkeit beschränkt, so bedarf er nicht der Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters (§ 2347 Abs. 2 S. 1 BGB). Ist der Erblasser geschäftsunfähig, so kann der Vertrag durch den gesetzlichen Vertreter geschlossen werden; unter Umständen ist eine Genehmigung durch das Vormundschaftsgericht erforderlich ((§ 2347 Abs. 2 S. 2 BGB).

Der Verzichtende Teil (Verwandte, Ehegatte) kann sich vertreten lassen.

Der Erbverzichtsvertrag bedarf zu seiner Wirksamkeit der notariellen Beurkundung (§ 2348 BGB).

Inhalt des Vertrags

Erbverzicht

Der Erbverzicht wird in der Regel umfassend erklärt. Zulässig ist aber auch der Verzicht auf einen Bruchteil des gesetzlichen Erbrechts. Unzulässig ist dagegen eine Beschränkung auf einen einzelnen Nachlassgegenstand oder einen Inbegriff von Nachlassgegenständen, weil dies dem Grundsatz der Universalsukzession widerspräche. Auch der Pflichtteilsverzicht wird in der Regel umfassend erklärt.  Zum Teil wird der Pflichtteilsverzicht aber auch beschränkt, z.B. auf bestimmte Übertragungen. Oftmals wird der Verzicht gegen Zahlung einer Abfindung erklärt oder im Rahmen eines Erbvertrags. 

Pflichtteilsverzicht

Der Pflichtteilsverzicht kann umfassend oder beschränkt erklärt werden. Notare verwenden z.B. folgende Klauseln für den Pflichtteilsverzicht:

Muster Pflichtteilsverzicht: (umfassender Pflichtteilsverzicht): Die Erschienenen K 1 und K 2 sind die leiblichen Kinder der erschienenen Ehegatten M und V.  Die Parteien wollen eine Vereinbarung treffen, um den Längstlebenden der erschienenen Ehegatten M und F vor den wirtschaftlich ungünstigen Folgen der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen beim Tod des Erstversterbenden zu schützen.

Muster Pflichtteilsverzicht  (beschränkter Pflichtteilsverzicht):

1. Die Erschienenen K 1 und K 2 verzichten hiermit gegenüber den erschienenen Ehegatten M und V auf ihr gesetzliches Pflichtteilsrecht beim Tode des zuerst versterbenden Ehegatten. Umfang des Pflichtteilsverzichts. Der Pflichtteilsverzicht wird sowohl im eigenen Namen als auch für vorhandene und zukünftige Abkömmlinge der Verzichtenden abgegeben.

2. Der Pflichtteilsverzicht umfasst nicht nur das ordentliche Pflichtteilsrecht, sondern auch etwaige Pflichtteilsergänzungsansprüche, Ausgleichs- sowie Zusatzpflichtteile und alle sonstigen Ansprüche, die aufgrund gesetzlichen Pflichtteilsrechts geltend gemacht werden können. 

3. Der vorbezeichnete Pflichtteilsverzicht erfolgt unabhängig von der konkreten Höhe der Pflichtteilsquote, die sich jederzeit durch Hinzutreten oder Wegfallen von gesetzlichen Erben und damit Pflichtteilsberechtigten in beide Richtungen verändern kann.

3.Der Verzicht steht unter keiner Bedingung. Insbesondere wird er nicht in Erwartung zukünftigen erbrechtlichen Erwerbs abgegeben. Er erfolgt auch nicht zugunsten irgendeiner Person und ist unabhängig vom jetzigen Bestand des Vermögens der Eheleute M und V und vom Bestand der Zusammensetzung des künftigen Nachlasses von M und V.

Rechtsfolgen

Erbverzicht

Der Verzichtende ist von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen, wie wenn er zur Zeit des Erbfalls nicht mehr lebte. Er hat daher insbesondere kein Pflichtteilsrecht, § 2346 Abs. 1 BGB.

Der Erbverzicht eines Abkömmlings oder eines Seitenverwandten des Erblassers erstreckt sich auch auf das gesetzliche Erbrecht der Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt wird. Die abweichende Bestimmung muss ausdrücklich im Verzichtsvertrag erfolgen. 

Beispiel: E erklärt den Verzicht des Erbrechts nach seinem Vater V. Dieser Verzicht wirkt auch gegen die Kinder des E. Die Kinder des E haben also ebenfalls kein gesetzliches Erbrecht mehr und können nicht mehr den Pflichtteil verlangen.

Der zugunsten eines anderen erklärte Erbverzicht ist im Zweifel unwirksam, wenn der Begünstigte nicht Erbe wird. Der Verzicht ist auflösend bedingt durch die Erbengemeinschaft, § 2350 (1) BGB.

Beispiel: E erklärt zu Gunsten seiner Mutter M den Verzicht des Erbrechts nach seinem Vater V. Die Ehe scheitert und wird geschieden. Setzt V die M nicht zum Erben durch Testament ein, ist der Erbverzicht unwirksam.  

Verzichtet ein Abkömmling des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so ist im Zweifel anzunehmen, dass der Verzicht nur zugunsten der anderen Abkömmlinge und des Ehegatten des Erblassers gelten soll, § 2350 (2) BGB.

Pflichtteilsverzicht

Der Pflichtteilsverzicht führt dazu, dass der Verzichtende den Pflichtteil nicht mehr verlangen kann. Wird der Pflichtteilsverzicht ohne Einschränkung erklärt, bezieht er sich auch auf

  • Pflichtteilsrestansprüche,
  • Ausgleichspflichtteile nach § 2316 BGB,
  • Pflichtteilsergänzungsansprüche und
  • Verteidigungsrechte nach §§ 2306, 2308 Abs. 2, §§ 2319, 2328 BGB.

Nicht berührt wird das gesetzliche Erbrecht. Daher wird der verzichtende Erbe, wenn er nicht ausdrücklich enterbt wird. 

Der Pflichtteilsverzicht führt auch nicht zur Veränderung der Erbquote bei gesetzlichen Erbfolge und somit auch nicht zu einer Erhöhung des Pflichtteils der nicht verzichtenden Kinder.

Unwirksamkeit und Anfechtung eines Erbverzichts

Ein Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht ist unwirksam, wenn die Voraussetzungen für eine wirksame Errichtung - siehe oben - nicht vorliegen. Er ist ferner unwirksam, wenn der Vertrag sittenwidrig (§ 138 BGB) ist oder Anfechtungsgründe vorliegen (z.B. Irrtum, Drohung) und die Anfechtung erklärt wurde. 

Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht im internationalen Erbfall

Die Wirkungen eines Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrages unterliegen dem Erbstatut (also mangels Rechtswahl dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes).

Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags im Sinne der EuErbVO (dies schließt eine Bindung aufgrund wechselbezüglicher Verfügungen ein), der den Nachlass einer einzigen Person betrifft, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, unterliegen dem Recht, das nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn diese Person zu dem Zeitpunkt verstorben wäre, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde (Art. 25 Abs. 1  EuErbVO, sog. "Hypothetisches Erbstatut"). 

Ein Erbvertrag, der den Nachlass mehrerer Personen betrifft, ist nur zulässig, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach dieser Verordnung auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wären, wenn sie zu dem Zeitpunkt verstorben wären, in dem der Erbvertrag geschlossen wurde (Art. 25 Abs. 2 EuErbVO).

Die Parteien eines Erbvertrags können für die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen ihres Erbvertrags, einschließlich der Voraussetzungen für seine Auflösung, das Recht wählen, das die Person oder eine der Personen, deren Nachlass betroffen ist, nach Artikel 22 unter den darin genannten Bedingungen hätte wählen können (Art. 25 Abs. 3 EuErbVO). Eine Rückverweisung ist im Fall einer solchen (beschränkten) Rechtswahl ausgeschlossen. 

Die Wirksamkeit der Form nach unterliegt nach Art. 27 EuErbVO dem Formstatut. 

In dem Recht vieler Staaten ist ein Erbverzicht nicht vorgesehen oder er ist sogar verboten (z.B. Spanien). Dann stellt sich die Frage, ob ein nach dem Erbstatut wirksamer Erbverzicht wegen Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung (ordre public) die Anerkennung verweigert wird. 

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