Erwerbsanzeige nach § 30 Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz im Erbfall

Als Fachanwälte für Erbrecht beraten wir umfassend im Erbfall. Da den Erwerber im Erbfall auch steuerliche Pflichten treffen und viele Steuerberater mit Fragen des (internationalen) Erbschaftsteuerrechts sich nicht beschäftigen können oder wollen, liegt der Schwerpunkt unserer Tätigkeit oft im Erbschaftssteuerrecht. Der Beitrag erläutert, ob und ggf. wie der Erwerb dem Erbschafts- und Schenkungssteuerfinanzamt anzuzeigen ist.

Hintergrund

Eine Person, die von Todes wegen (z.B. durch Erbanfall, Vermächtnis oder Pflichtteil) erwirbt (Erwerber), ist nur dann zur Abgabe einer Erbschaftssteuererklärung, wenn ihn das Finanzamt zur Erklärung aufgefordert hat (§ 31 ErbStG). Das Erbschaftssteuerfinanzamt fordert zur Erklärung der Steuer auf, wenn die Erhebung einer Steuer in Betracht kommt, d.h. wenn der Wert des Erwerbs möglicherweise über dem Freibetrag liegt. Für die somit erforderliche Vorprüfung benötigt das Finanzamt Informationen, die es von vielen Seiten erhält (siehe Beitrag Information des Erbschaftsteuerfinanzamtes im Erbfall). Nicht in jedem Fall erhält das Finanzamt aber über solche Quellen die benötigten Informationen. Daher ist der Erwerber in bestimmten Fällen, insbesondere bei einer Erbschaft im Ausland, zur Anzeige des Erwerbs verpflichtet.  

Pflicht zur Erwerbsanzeige

Nach § 30 Abs. 1 ErbStG ist jeder der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer unterliegende Erwerb (§ 1 ErbStG) durch den Erwerber anzuzeigen. 

Die bloße Möglichkeit eines Erwerbs genügt (vgl. BFH Urteil v. 10.10.1951 - IV 216/51BStBl 1951 III S. 209). Die Anzeige soll die Finanzbehörde lediglich in die Lage versetzen, zu prüfen, ob ein erbschaftsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73).

Zur Erwerbsanzeige verpflichtete Personen

Die Anzeigepflicht trifft den Erwerber, bei Zweckzuwendungen den Empfänger der Zuwendung und Auflageschuldner.

Erwerber i. S. d. § 30 Abs. 1 ErbStG ist jeder, der nach § 20 ErbStG als Steuerschuldner in Betracht kommt. 

Die Pflicht des Erwerbers gilt auch für gesetzliche Vertreter und Verfügungsberechtigte (§§ 34, 35 AO) sowie für Vermögensverwalter, soweit ihre Verwaltung reicht (§ 34 (3) AO). Ob hierunter auch der Testamentsvollstrecker fällt, ist nicht abschließend geklärt. 

Vorsicht: Die Anzeigepflicht des Erben entfällt nicht schon deswegen, weil der Testamentsvollstrecker eine Erbschaftsteuererklärung abgibt (Beschluss BFH vom 11.05.2012 II B 63/11).

Für Betreute sind die Betreuer anzeigepflichtig. Die Anzeigepflicht trifft auch Bevollmächtigte (§ 80 AO), wenn diese gleichzeitig Verfügungsberechtigte sind.

Frist zur Anzeige

Die Anzeige hat binnen einer Frist von drei Monaten zu erfolgen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der zur Anzeige Verpflichtete von dem Erwerb (z.B. durch Erbanfall oder durch Ausschüttung seitens eines Trusts) Kenntnis hat.

Kenntnis hat der Erwerber dann, wenn er zuverlässig von den Umständen seines Erwerbs erfahren hat, sodass von ihm erwartet werden kann zu handeln (BFH, Urteil vom 12.5.2016, II R 56/14). Es reicht aus, wenn der Erbe in der Lage ist, den Erblasser und den Erwerber namentlich zu bezeichnen und den Rechtsgrund für den Erwerb mitzuteilen (vgl. BFH-Urteile vom 16.10.1996 - II R 43/96, BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73, und vom 30.01.2002 - II R 52/99, BFH/NV 2002, 917, unter II.3.a). Die im Einzelnen zur Berechnung der Erbschaftsteuer erforderlichen Angaben müssen noch nicht bekannt sein (vgl. BFH-Urteil in BFHE 181, 351, BStBl II 1997, 73).

  • Im Fall des Erwerbs durch gewillkürter Erbfolge (d.h. durch Testament oder Erbvertrag) ist eine zuverlässige Kenntnis von dem Anfall in der Regel jedenfalls noch nicht anzunehmen, solange eine letztwillige Verfügung noch nicht eröffnet worden ist und die Frist für die Ausschlagung der Erbschaft noch nicht begonnen hat (BFH BStBl II 82, 277). 
  • Im Fall des Erwerbs durch gesetzlicher Erbfolge muss der Erwerber sicher wissen, dass ein Verwandter einer vorhergehenden Ordnung nicht vorhanden ist. Bei völlig unklaren Verhältnissen kann demgegenüber im Einzelfall Kenntnis erst mit der Erteilung des Erbscheins vorliegen (BFH/NV 90, 444).

Vorsicht: Auf die tatsächliche Auszahlung kommt es bei einem Erwerb von Todes wegen regelmäßig nicht an. Insbesondere hindert der Umstand, dass der Nachlass durch einen Nachlassabwickler in den USA abgewickelt wird und dieser noch nicht an den Begünstigten ausgekehrt hat, nicht den Fristlauf (vgl. BFH, Urteil vom 8.6.1988, II R 243/82BStBl. 1988 II S. 808, 810). 

Hingegen ist der der Schenkungssteuer unterliegende Erwerb Seitens eines intransparenten Trusts erst bei Ausschüttung (z.B. durch Auszahlung) anzuzeigen. 

Entfallen der Anzeigepflicht

Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der Erwerb auf einer von einem deutschen Gericht, einem deutschen Notar oder einem deutschen Konsul eröffneten Verfügung von Todes wegen (z.B. Testament oder Erbvertrag) beruht und sich aus der Verfügung das Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser unzweifelhaft ergibt.

Beispiel: Erblasser E hat vor einem deutschen Notar ein Testament errichtet. Da der Tod in Deutschland festgestellt wurde, informiert das Standesamt ordnungsgemäß das Gericht, welches das Testament verwahrt vom Eintritt des Erbfalls. Daraufhin wird das Testament eröffnet. Eine Anzeigepflicht besteht nicht.

Einer Anzeige bedarf es allerdings auch in diesem Fall, wenn zum Erwerb Grundbesitz, Betriebsvermögen, Anteile an Kapitalgesellschaften, die nicht der Anzeigepflicht nach § 33 ErbStG unterliegen.

Beispiel: Im vorherigen Beispiel hat Erblasser E ein einzelkaufmännisches Unternehmen betrieben. Die Erwerber sind zur Anzeige verpflichtet.

Einer Anzeige bedarf es auch, wenn zum Erwerb Auslandsvermögen gehört.

Beispiel: Im vorherigen Beispiel hat Erblasser E eine Finca auf Mallorca. Der Erwerber ist zur Anzeige verpflichtet.

Eine Anzeigepflicht besteht auch, wenn das Finanzamt von anderer Seite auf andere Weise unterrichtet ist (Benachrichtigung durch Erben: BFH v. 30. 10. 1996, II R 70/94, BStBl II 1997, 11).

Anzeigepflicht bei späterem Auffinden von Nachlassgegenständen

Ist der Erwerber nicht zur Anzeige und Erklärung verpflichtet und findet er später  weitere Nachlassgegenstände auf, besteht keine Anzeigepflicht oder Richtigstellungspflicht nach § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 (BFH v. 30.1.2002 II R 52/99).

Beispiel: Erblasser E hat ein notarielles Testament errichtet. Auf seinen Tod wird dieses eröffnet, so dass sein Alleinerbe A von der Anzeige nach § 30 ErbStG befreit sind. Drei Jahre nach dem Tod des E erfährt A davon, dass der E noch eine Darlehensforderung gegen seinen Gläubiger G hat. A ist zur Anzeige nach § 30 ErbStG nicht verpflichtet.

Inhalt der Anzeige nach § 30 ErbStG

Die Anzeige soll folgende Angaben enthalten:

  • Vorname und Familienname, Beruf, Wohnung des Erblassers oder Schenkers und des Erwerbers;
  • Todestag und Sterbeort des Erblassers oder Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung;
  • Gegenstand und Wert des Erwerbs;
  • Rechtsgrund des Erwerbs wie gesetzliche Erbfolge, Vermächtnis, Ausstattung;
  • persönliches Verhältnis des Erwerbers zum Erblasser oder zum Schenker wie Verwandtschaft, Schwägerschaft, Dienstverhältnis;
  • frühere Zuwendungen des Erblassers oder Schenkers an den Erwerber nach Art, Wert und Zeitpunkt der einzelnen Zuwendung.

Folgen der unterlassenen Erwerbsanzeige nach § 30 ErbStG

Unterlässt der Erwerber die Anzeige, begeht er hierdurch keine Steuerordnungswidrigkeit i. S. des § 377 AO. Wird allerdings auf Grund der fehlenden Anzeige keine Steuer festgesetzt, kann sich der Erwerber unter Umständen einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) bzw. einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) strafbar machen.

Tipp: Oftmals wird keine Steuer geschuldet, z.B. weil die Freibeträge nicht ausgeschöpft wurden oder eine Steuerbefreiung besteht. In solchen Fällen ist die fehlende Erwerbsanzeige straflos. 

Wird durch die fehlende oder nicht rechtzeitige Erwerbsanzeige keine Steuer festgesetzt und somit eine Steuerstraftat begangen, ist die Rückkehr in die Legalität unter den Voraussetzungen von §§ 371, 378 AO durch Selbstanzeige möglich.

Kommt der Steuerpflichtige seiner Anzeigepflicht nicht nach, ist die Festsetzungsverjährung bis zu 3 Jahre gehemmt, § 170 Absatz 2 Nr. 1 AO.

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