Pflichtteil: Anrechnung von Schenkungen auf den Pflichtteil

Grundlegendes

Der Pflichtteilsberechtigte auf den Pflichtteil anrechnen lassen, was ihm vom Erblasser durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet worden ist, dass es auf den Pflichtteil angerechnet werden soll, § 2315 BGB.

Minderung des Nachlasses

Die Anrechnung setzt voraus, dass die lebzeitige Zuwendung an den Pflichtteilsberechtigten den Nachlass mindert. Ist die Zuwendung zurück zu geben, so scheidet eine Anrechnung daher aus.

Anrechnungsbestimmung

Die Zuwendung muss mit der Bestimmung des Erblassers erfolgt sein, dass sie auf den Pflichtteil angerechnet werden soll (Anrechnungsbestimmung). Die Anrechnungsbestimmung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Erblassers. Die Erklärung muss somit dem Empfänger, also dem Pflichtteilsberechtigten, zugegangen sein.  

Hinzukommen muss nach h.M. zum Schutz des Pflichtteilsberechtigten außerdem, dass die Erklärung dem Empfänger „zum Bewusstsein gekommen“ ist. Denn der Empfänger soll abwägen und entscheiden können, ob er die Zuwendung trotz Anrechnung auf seinen späteren Pflichtteil annimmt oder zurückweist, um sich den ungekürzten Pflichtteil zu erhalten.

Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift („... mit der Bestimmung ... zugewendet ...“) ergibt, ist die Anrechnungsbestimmung nur wirksam, wenn sie dem Empfänger der Zuwendung gleichzeitig mit dieser oder vorher zugeht. Dies soll dem Pflichtteilsberechtigten die Möglichkeit eröffnen, die mit der Anrechnungsbestimmung belastete Zuwendung zurückzuweisen. Eine erst nachträglich, also nach Vollzug der Zuwendung erklärte Anrechnungsbestimmung, etwa durch Verfügung von Todes wegen, ist grundsätzlich unwirksam. Liegen jedoch die Voraussetzungen für die Entziehung des Pflichtteils (§§ 2333-2335 BGB) vor, kann der Erblasser noch nachträglich in der durch § 2336 Abs. 1 BGB vorgeschriebenen Form, also durch letztwillige Verfügung, die Anrechnungsbestimmung vornehmen.

Bewertung der Zuwendung

Maßgeblich ist der Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung. Nach dem Zeitpunkt der Zuwendung eintretende Wertveränderungen sind daher nicht zu berücksichtigen. Der Wert ist allerdings um die Inflation zu bereinigen, also auf den Geldwert zum Zeitpunkt des Erbfalls hochzurechnen.

Der Erblasser kann auch bestimmen, dass die Zuwendung nur einem geringeren Wert als dem Wert zum Zeitpunkt der Zuwendung zu berücksichtigen ist. Die Anrechnung eines höheren Wertes ist hingegen nur möglich, wenn der Erblasser mit dem Pflichtteilsberechtigten in notarieller Form (§ 2348 BGB) einen Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht (§ 2346 BGB) vereinbart.

Anrechnung auf den Pflichtteil bei Wegfall eines Abkömmlings (Absatz 3)

Nach § 2315 Abs. 3 BGB findet die Vorschrift des § 2051 Abs. 1 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Pflichtteilsberechtigte ein Abkömmling des Erblassers ist.  Fällt ein Abkömmling, der eine anrechnungspflichtige Zuwendung vom Erblasser erhalten hat, vor oder nach dem Erbfall weg, muss sich der an seine Stelle tretende Abkömmling des Erblassers daher die Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen lassen.  

Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Anrechnungsbestimmung des Erblassers erkennbar nur für den Empfänger der Zuwendung gelten sollte. Die Beweislast hierfür trifft den an die Stelle tretenden Abkömmling.  

Berechnung des Anrechnungsbetrags

Zur Berechnung ist im ersten Schritt der (indexierte) Wert der Zuwendung dem Nachlasswert hinzuzurechnen, § 2315 (2) S. 1 BGB. Aus der Summe ist dann im zweiten Schritt der Pflichtteil mit der für den jeweiligen Pflichtteilsberechtigten maßgeblichen Quote zu berechnen. Hiervon ist sodann im dritten Schritt der (indexierte) Wert der Zuwendung in Abzug zu bringen.  Wie sich Die Berechnung ist für jeden Pflichtteilsberechtigten eine gesonderte Berechnung vorzunehmen, bei der nur die speziell ihm zuteil gewordenen anrechnungspflichtigen Zuwendungen in den fiktiven Nachlass einfließen.

Beispiel: Der verwitwete Erblasser Emil Eldermann verstirbt im Jahre 2010 und hinterlässt die Kinder Anton, Berta und Charlie; Der Erblasser enterbt Berta und Charlie und setzt Anton zum Alleinerben ein. Der Wert des Nachlasses beträgt EUR 200.000,--. Der Erblasser hat Berta  im Jahre 2002 EUR 20.000,-- mit Anrechnungsbestimmung zugewandt. Charlie hat er 2003 EUR 10.000,-- mit Anrechnungsbestimmung zugewandt. Die Pflichtteilsquote von Berta und Charlie beträgt jeweils ein Sechstel. Pflichtteilsanspruch der Berta: EUR 200.000 + 22.565,17 (20.000 + Inflationsausgleich in Höhe von 2.565,17) = 222.565,17 : 6 = 37.094,19 – 22.565,17 = 14.529,02; Pflichtteilsanspruch des Charlie: EUR 200.000 + 11.166,15 (10.000 + Inflationsausgleich in Höhe von1.166,15) = 211.166,15 : 6 = 35.194,35 – 11.166,15 = 24.028,20.

Berechnung bei Vorhandensein von auszugleichenden Zuwendungen an einen von mehreren Abkömmlingen des Erblassers

Nach § 2316 BGB bestimmt sich der Pflichtteil eines Abkömmlings, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden sind und unter ihnen im Falle der gesetzlichen Erbfolge eine Ausgleichung zu erfolgen hätte, nach demjenigen, was auf den gesetzlichen Erbteil unter Berücksichtigung der Ausgleichungspflichten bei der Teilung entfallen würde.

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