Probate und Administration - das Verfahren zur Abwicklung eines Nachlasses in den USA

Als Fachanwalt für Erbrecht und Spezialist für deutsch-amerikanische Erbfälle habe ich in den letzten Jahren gemeinsam mit US-Anwälten zahlreiche US-Nachlassverfahren geführt. Der Beitrag zeigt die grundlegenden Prinzipien des US-Nachlassverfahrens auf.

Die USA als Mehrrechtsstaat

Die Vereinigten Staaten von Amerika (USA) haben kein einheitliches Erbrecht und kein einheitliches Nachlassverfahrensrecht. Vielmehr haben alle 50 US-Bundesstaaten ihr eigenes Erbrecht und Nachlassverfahrensrecht und jedes wendet sein Verfahrensrecht bei Befassung mit der Sache an. Nachfolgende einführende Darstellung kann daher nur grundlegende Prinzipien, die in allen US-Bundesstaaten gelten, aufzeigen und orientiert sich an Artikel 3 (Probate of Wills and Administration) des Uniform Probate Code (UPC).

Hinweis: Für die Bundesstaaten FloridaKalifornien und New York verweisen wird auf unsere besonderen Darstellungen.

Wann ist ein Nachlassverfahren in den USA zu führen?

Bevor ein gerichtliches Nachlassverfahren betrieben wird, sollte zunächst geprüft werden, ob dies überhaupt erforderlich ist.  

Erforderlichkeit eines Nachlassverfahrens in den USA

Ein US-Nachlassverfahren ist im Grundsatz immer dann erforderlich, wenn der Inhaber von in den USA registrierten Vermögensgegenständen, z.B. Wohnungseigentum (Condominium), eine genossenschaftliche Wohnung (Cooperative), ein Haus (house), ein Girokonto (checking account), ein Depots (investment account) oder ein Sparkonto (savings account), stirbt. Kein Nachlassverfahren ist im Hinblick auf Vermögen zu führen, das "außerhalb des Nachlasses" übergeht, z.B. über

Eine Übersicht über solche Instrumente im Recht der einzelnen US-Bundesstaaten finden Sie in dem Beitrag "Erwerb außerhalb des Nachlasses in den USA"). 

Anerkennung eines deutschen Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses

Ein deutscher Erbschein oder ein deutsches Testamentsvollstreckerzeugnis muss in den USA nicht anerkannt werden und in der Regel wird er auch nicht anerkannt. Wenn das Domizil (domicile) des Erblassers in Deutschland war, zahlen manche US-Finanzinstitute (z.B. Banken, Vermögensverwalter) aber auf der Grundlage von Gesetzen des maßgebenden Bundesstaates oder den Billigkeitsregeln über die Anerkennung ausländischer Entscheidung (comity) freiwillig an eine berechtigte Person (Erbe, Testamentsvollstrecker) aus. Da die Zahlung dann einen nicht-ansässiger Ausländer (nonresident alien) erfolgt, muss allerdings mit einem Quellensteuereinbehalt gerechnet werden, insbesondere, wenn nicht das Formular W-8BEN-E eingereicht wird. Beim Nachlass eines nicht-ansässigen Erblassers (nonresident decedent) kann das Finanzinstitut außerdem die Auszahlung von der Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung (transfer certificate) abhängig machen. 

Soweit aus Sicht des US-Nachlassgerichts ein deutsches Gericht zuständig war und zutreffend das deutsches Recht angewandt hat, kann der Erbschein außerdem zu Erleichterungen beim US-Nachlassverfahren führen (siehe unten Hilfsnachlassabwicklung).

Testamentsbestätigung und Bestellung des Nachlassabwicklers

Testamentsbestätigung

Im Fall der testamentarischen Erbfolge prüft das Gericht auf Antrag die Wirksamkeit des Testaments. Wenn das Testament nach Überzeugung des Gerichts wirksam ist (siehe hierzu den Beitrag Testamentarische Erbfolge im Erbrecht der USA - Testierfähigkeit, zulässige Verfügungen, Form, Widerruf), erteilt es die Testamentsbestätigung (probate).

Ernennung eines Nachlassabwicklers und Erteilung eines Zeugnisses über seine Bestellung

Oftmals zeitgleich mit dem  Antrag auf die Testamentsbestätigung (probate) wird auch Bestellung des Nachlassabwicklers (personal representative) beantragt. Hat der Erblasser den Nachlassabwickler bestimmt, ist die bestimmte Person zu ernennen, wenn nicht ausnahmsweise Ausschlussgründe vorliegen.

Wichtig: Eine Person ohne Domizil (domicile) in den USA kann in vielen US-Bundesstaaten nicht (allein) Nachlassabwickler werden. Aber auch wenn dies zulässig ist, ist es nicht immer ratsam, dass eine Person ohne Domizil in dem Bundesstaat oder der USA als Nachlassabwickler tätig wird. So ist es z.B. oftmals schwierig eine Prozesssicherheit (bond) für einen ausländischen Nachlassabwickler zu erwirken. 

Hat der Erblasser nicht (wirksam) einen Nachlassabwickler bestimmt, ernennt das Gericht auf Antrag (petition) die Person, welche nach dem Gesetz hierzu vorrangig berufen ist. 

Nachdem das Nachlassgericht (probat court) den Nachlassabwickler ernannt hat und der Nachlassabwickler bestimmte weitere Voraussetzungen erfüllt hat, erteilt das Nachlassgericht dem Nachlassabwickler ein Zeugnis über seine Bestellung (letters of administration oder letters testamentary).

Vorsicht: Das Zeugnis hat im Grundsatz nur Wirkung in dem US-Bundesstaat, der das Zeugnis erteilt hat. Wenn Nachlassgegenstände in mehreren US-Bundesstaaten belegen sind, kann es erforderlich werden, dass Hilfs-Nachlassverfahren in anderen US-Bundesstaaten geführt werden. Wenn Vermögen außerhalb der USA belegen ist, können auch im Staat der Belegenheit Verfahren zu führen sein. Soweit in Deutschland Vermögen belegen ist, helfen wir gerne - insbesondere wenn US-Erbrecht anzuwenden ist. 

Abwicklung des Nachlassabwicklers durch den Nachlassabwickler

Aufgaben des Nachlassabwicklers

Der Nachlassabwicklers (personal representative) soll den Nachlass

  • sichern, 
  • in Besitz nehmen,
  • ein Nachlassverzeichnis (estate inventory) erstellen und die Begünstigen über ihre Rechte informieren,
  • die berechtigten Nachlassverbindlichkeiten (estate debts) tilgen,
  • Steuern erklären und zahlen,
  • Vermächtnisse erfüllen und
  • den Rest-Nachlasses an die Begünstigten auszahlen. 

Sicherung des Nachlasses

Das Nachlassgericht kann auf Antrag einer interessierten Person formlos einen Nachlasspfleger (special administrator) ernennen kann, wenn dies zum Schutz des Nachlasses eines Verstorbenen erforderlich ist. Ergänzend verweisen wir auf den Beitrag Sicherung des Nachlasses durch einen Nachlasspfleger im US-amerikanischen Erbrecht.

Ingewahrsamnahme des Nachlasses

Nach Erteilung des Zeugnisses soll der Nachlassabwickler ein Konto für den Nachlass (estate account) eröffnen und die hierfür erforderliche Steuernummer (Employer Identification Number, kurz EIN) erwirken. 

Sodann (oder parallel)  holt er Auskünfte bei Banken, Versicherungen und anderen Finanzinstitutionen über etwaige Guthaben des Erblassers ein und weist Übertrag auf das Konto des Nachlasses an.

Erstellung eines Nachlassverzeichnisses und Information der Begünstigen

Der Nachlassabwicklung soll in der gesetzlichen Frist ein Nachlassverzeichnis erstellen und bei Gericht einreichen. 

Er soll die möglichen Begünstigten, gesetzlichen Erben und andere Personen, deren Rechte betroffen sein könnten, über ihre (etwaigen) Rechte informieren.

Tilgung der berechtigten Nachlassverbindlichkeiten

Zu den Aufgaben des Nachlassabwicklers gehört es ferner,

  • bekannte Schulden des Erblassers zu tilgen,
  • Gläubigern die Anmeldung von Forderungen zu ermöglichen (z.B. durch Gläubigeraufruf in einer lokalen Zeitung),
  • die Berechtigung angemeldeter Forderungen zu prüfen und
  • berechtigte Forderungen zu tilgen.

Das rechtliche Eigentum (legal ownership) an beweglichen Nachlassgegenständen geht auf den Nachlassabwickler über. Das Eigentum an Grundvermögen geht in der Regel unmittelbar auf die Begünstigten oder bei Zuwendung an ein Treuhandvermögen (trust) dessen Treuhänder (trustee) über. Allerdings hat der Nachlassabwickler insoweit - soweit für die Nachlassabwicklung erforderlich - das ausschließliche Verwaltungs- und Verfügungsrecht

Der Nachlassabwickler darf von seinen Befugnissen nur insoweit Gebrauch machen, als dies zur Erfüllung seiner Aufgabe erforderlich erscheint und er muss stets im Sinne der Begünstigten handeln. 

Über die Verwaltung soll der Nachlassabwickler die Begünstigten angemessen informieren und auf begründete Nachfrage angemessene Auskunft erteilen.

Hinweis: Die Begünstigten können auf alle oder einzelne Verfahrensrechte verzichten, was das Verteilungsverfahren vereinfacht. Ein solcher Verzicht (waiver) wird oftmals zu Beginn des Verfahrens von den Begünstigten angefordert, was deutsche Begünstigte oft sehr verunsichert.

Erklärung und Zahlung der US-Einkommensteuer, US-Nachlasssteuer und Erbschaftsteuer

Den Nachlassabwickler treffen zahlreiche steuerliche Pflichten. Er muss abgeben

  • eine Einkommensteuererklärung für das Einkommen des Erblassers im Todesjahr (final income tax return, form 1040) und
  • eine Einkommensteuererklärung für das Einkommen des Nachlasses (US Income Tax Return for Estates and Trust, form 1041) abgeben. 

Unsere Leistung: Wir stellen sicher, dass der Nachlassabwickler alle zweckdienlichen steuerlichen Wahlrechte ausübt und sichergestellt wird, dass US-Einkommensteuer auch auf die deutsche Einkommensteuer angerechnet werden kann oder - falls nach dem DBA-USA-ESt nur durch Deutschland steuerbar - gar nicht erst erhoben wird. 

Falls eine Verpflichtung zur Abgabe besteht, muss der Nachlassabwickler außerdem die US-Bundes-Nachlasssteuer (federal estate tax) mittels der form 706 bzw. 706-NA erklären. Einige US-Bundesstaaten haben außerdem eine eigene Erbschaftsteuer oder Nachlasssteuer (sie hierzu den Beitrag Übersicht: Erbschaftssteuer und Nachlasssteuer in den US-Bundesstaaten).

Unsere Leistung: Die deutsche Erbschaftsteuer wird in der Regel von den Begünstigten, den "Erben" oder "Vermächtnisnehmern" erklärt und gegenüber dem Finanzamt sind auch diese zur Zahlung verpflichtet. In manchen Fällen kann aber ein Anspruch auf Erstattung aus dem US-Nachlass bestehen. Wir prüfen für Sie, ob hierdurch für Sie ein Vorteil erzielt werden kann. 

Verteilung des Nachlasses

Wenn alle Nachlassverbindlichkeiten, insbesondere Steuern, getilgt sind und der Nachlass auch sonst zur Verteilung reif ist, kann der US-Nachlassabwickler (u.U. nach einem ersten Rechenschafts- und Verteilungsplan) eine erste Zahlung an die Begünstigten tätigen. Dabei wird in der Regel wegen fortbestehenden Risiken (z.B. bisher unbekannte Gläubiger, Steuernachforderungen und Kosten der Verwaltung des Nachlasses) ein Teilbetrag einbehalten. Sodann wird regelmäßig der finale Rechenschaftsbericht vorbereitet und den Begünstigten übersandt. In der Regel verlangt der Nachlassabwickler außerdem, das die Begünstigten durch Unterschrift unter ein Dokument den Empfang (receipt) bestätigen und Entlastung (release) erteilen. Wird das Dokument nicht unterschrieben, kann der Nachlassabwickler beantragen, dass das Gericht ihn entlastet.

Hilfs-Nachlassverfahren

Wurde bereits im Staat des Domizils des Erblassers (z.B. Deutschland) ein Nachlassverfahren geführt und hat das Heimatgericht das Testament bestätigt (das probate erteilt), kann der Nachlassabwickler oder eine andere vom Gesetz bestimmte Person ein vereinfachtes Hilfsverfahren (ancillary administration) führen. Allerdings werden deutsche Erbscheine und Testamentsvollstreckerzeugnisse nicht ohne Weiteres zum Nachweis eines ausländischen probate anerkannt. Gleichwohl lassen einige US-Bundesstaaten (z.B. New York) den Erbschein für ein Hilfsnachlassverfahren genügen.

Vereinfachte US-Nachlassverfahren

In vielen US-Bundesstaaten gibt es in bestimmten Fallkonstellationen vereinfachte Verfahren, z.B. im Fall eines geringwertigen Nachlasses (small estates administration). In machen Fällen ist in bestimmten Fällen auch ein Verfahren entbehrlich und es genügt eine eidesstattliche Versicherung (small estates affidavit).

Steuerliche Pflichten in Deutschland bei US-Erbschaft

Deutsche Erbschaftssteuer

Bei Bezügen zu Deutschland kann deutsche Erbschaftsteuer anfallen. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Die Besteuerung deutsch-amerikanischer Erbfälle nach dem deutsch-amerikanischen Doppelbesteuerungsabkommen

Die deutschen Begünstigten sind nach § 30 ErbStG verpflichtet, dem deutschen Erbschaftsteuerfinanzamt ihren Erwerb binnen 3 Monaten ab "Kenntnis vom Erwerb" anzuzeigen (siehe hierzu Erwerbsanzeige nach § 30 Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz im Erbfall). Dabei hindert der Umstand, dass der Nachlass durch einen Nachlassabwickler in den USA abgewickelt wird und dieser noch nicht an den Begünstigten ausgekehrt hat, nicht den Fristlauf (vgl. BFH, Urteil vom 8.6.1988, II R 243/82BStBl. 1988 II S. 808, 810). Daher ist umgehend der Erwerb gegenüber dem Erbschaftsteuerfinanzamt anzuzeigen, wobei gleichzeitig unter Hinweis auf das laufende Verfahren eine großzügige Frist (und später Fristverlängerung) für die Erklärung erbeten werden sollte. 

Unsere Leistung: Wir begleiten die gesamte Nachlassabwicklung in den USA steuerlich und beschaffen die für die Erklärung der deutschen Erbschaftsteuer benötigten Informationen. Gerne helfen wir auch bei der Anzeige nach § 30 ErbStG und der Erbschaftssteuererklärung. Dabei stellen wir sicher, dass alle Fristen gewahrt werden und Möglichkeiten zur Reduzierung der Steuer ausgeschöpft werden. Oftmals sorgen wir auch dafür, dass die Steuer aus dem Nachlass gezahlt wird, was zu erheblicher Ersparnis für unsere Mandanten führen kann. 

Deutsche Einkommensteuer

Einkünfte eines US-Nachlasses können nach den Grundsätzen der Rechtsnachfolge von Todes wegen (§ 1922 BGB) oder nach § 15 AStG (Zurechnungsbesteuerung) anteilig den Einkünften des Begünstigten bei der deutschen Einkommensteuer zuzurechnen sein (BFH, Urteil vom 29.05.1984 – VIII R 29/80). Daher kann für die Steuerjahre, in denen der Nachlass Einkünfte erzielt hat, eine Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen – Feststellung nach § 18 Abs. 5 AStG abzugeben sein bzw. die Einkünfte des US-Nachlasses sind bei der persönlichen Steuererklärung des Begünstigten zu berücksichtigen.  

Unsere Leistung: Wir unterstützen Sie und ihren persönlichen Steuerberater gerne bei der Veranlagung der Einkünfte des US-Nachlasses. Falls gewünscht bereiten wir auch (zusammen mit Ihrem Steuerberater) die Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen – Feststellung nach § 18 Abs. 5 AStG vor. 

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