Einführung
Anwendbares Recht
Englische Gerichte wenden im Hinblick auf die Nachlassabwicklung (administration) das Recht des Landes, von dessen Gerichten der Nachlassabwickler seine Ernennung bzw. Bestätigung erhält, an (Dicey, Morris and Collins, Rule 134, Rn. 26R-030 ff.). Bestellt ein englisches Gericht einen Nachlassabwickler, ist daher insoweit englisches Recht anzuwenden.
Rechtsgrundlagen
Das Nicht-Streitverfahren ist im Non-Contentious-Probate-Rules (nachfolgend NCPR) und dem Administration of Estates Act 1925 (AEA 1925) geregelt.
Erfordernis eines Probate Verfahrens und Anerkennung eines Erbscheins
Ein Probate-Verfahren ist zu führen, wenn es Vermögen in England oder Wales gibt, welches in den Nachlass (estate) des Verstorbenen gefallen ist. Hierzu gehört nicht Vermögen, welches in anderer Weise übergeht, z.B. joint tenancy.
Anders als Zeugnisse von Commonwealth Staaten kann ein deutscher Erbschein nicht anerkannt (resealed) werden.
Der Nachlassabwickler
Mit dem Tod geht der Nachlass auf den Nachlassabwickler (personal representative) über. Man unterscheidet
- den testamentarisch bestimmten Nachlassabwickler (executor) und den
- vom Gericht ernannten Nachlassabwickler (administrator).
Executor
Hat der Erblasser den Nachlassabwickler durch Testament bestimmt, ist er Kraft der Bestimmung im Testament (will) zum Nachlassabwickler berufen. Er wird in diesem Fall als "executor" (weiblich: "executrix") bezeichnet.
Administrator
Hat der Erblasser den Nachlassabwickler nicht selbst im Testament benannt, oder ist der benannte verstorben oder nicht Willens die Nachlassabwicklung zu übernehmen, bestimmt das Gericht auf Antrag einen geeigneten Nachlassabwickler. Dieser wird als "administrator" bezeichnet. Wer auf Antrag zu ernennen ist, hängt davon ab, ob es ein Testament gibt oder nicht.
Bei der gesetzlichen Erbfolge ist die Rangfolge (priority) nach Sec. 22 (1) NCPR 1987 wie folgt:
- der Ehegatte;
- die Kinder des Erblassers und Abkömmlinge vorverstorbener Kinder;
- die Eltern;
- die vollbürtigen Geschwister bzw. Abkömmlinge vorverstorbener Geschwister;
- die halbbürtigen Geschwister bzw. deren Abkömmlinge;
- die Großeltern;
- Onkel und Tanten bzw. deren Abkömmlinge
- halbbürtige Onkel und Tanten bzw. deren Abkömmlinge.
Hat der Erblasser ein Testament hinterlassen, aber keinen Nachlssabwickler (executor) ernannt, erfolgt die Ernennung zum Nachlassabwickler (administrator with the will annexed) gemäß Sec. 20 (1) NCR. nach folgender Rangfolge:
- Zunächst können testamentarisch auf den Restnachlass begünstigte Personen (residuary legatees oder devisee), die den Nachlass nur treuhänderisch (in trust) für andere halten, verlangen ernannt zu werden;
- sodann haben sonstige Begünstigte auf den Restnachlass (residuary legatees oder devisee) ein Anrecht, wobei die Begünstigten, die den Nachlass zunächst nur auf Lebenszeit erhalten (life interest), denen vorgehen, denen der Nachlass danach letztlich verbleiben soll;
- Kommen auch diese nicht zum Zug, kann der Nachlassabwickler eines residuary legatee, dem der Nachlass letztlich verbleiben sollte, Ernennung verlangen;
- Schließlich kommen sonstige Begünstigte, denen einzelne Nachlassgegenstände zugewandt wurden, und jeder Gläubiger des Erblassers bzw. deren personal representatives zum Zug.
Hinweis: War das Domizil des Erblassers nicht England, kann der Registrar auch das Zeugnis (Grant) an die im Domizil-Staat zur Abwicklung berufene Person erteilen, Sec. 30 NCPR.
Das Gericht entscheidet über die Person des Nachlassabwicklers (administrator) durch Beschluss (order).
Mit Ernennung hat der Nachlassabwickler (administrator) die gleichen Rechte wie der durch Testament bestimmte Nachlassabwickler (executor).
Das Grant of Representation
Das Nachlassgericht erteilt dem Nachlassabwickler auf Antrag ein Zeugnis über die Ernennung (Grant of representation).
Antrag
Der Antrag ist mittels eines Formblatts (Probate Application Form) zu stellen. Der Antrag ist zum probate registry zu senden. Beizufügen sind
- eine Sterbeurkunde (death certificate),
- das Original des Testaments nebst 3 Kopien,
- die UK-Nachlasssteuererklärung (Inheritance Tax Form) und
- eine eidesstattliche Versicherung nach Sec. 8 N.C.P.R. (oath).
Hinweis: Fällt UK Nachlasssteuer (UK inheritance tax) an, wird das Zeugnis des Nachlassabwicklers (grant of representation) erst erteilt nachdem die UK Nachlasssteuer gezahlt wurde. Informationen zur UK Nachlasssteuer finden Sie in unserem Beitrag Erbschaftssteuer und Nachlasssteuer im UK (England & Wales, Schottland, Nordirland).
Aktuelle Gesetzesänderung: Ab dem 27. November 2018, als die Non-Contentious Probate (Amendment) Rules 2018, SI 2018/1137, in Kraft traten, wurde der zuvor bei Antragstellung erforderliche Eid (oath) durch gesonderte Erklärungen zur Richtigkeit der Angaben ersetzt. Hierzu sind die Formblätter PA1P (testamentarische Erbfolge) bzw. PA1A (gesetzliche Erbfolge) zu verwenden.
Verfahrensgang
Das Gericht prüft, ob das Testament wirksam errichtet und nicht widerrufen wurde. Hierzu kann es eidesstattliche Versicherungen verlangen. Ist ausländisches Recht anzuwenden, ist dieses durch eine Eidesstattliche Versicherung zum fremden Recht (Affidavit of Foreign Law) nachzuweisen, 19 N.C.P.R. Ist das Testament im Ausland zu Gericht gereicht und daher nicht verfügbar, sollte eine gerichtlich beglaubigte Kopie und das ausländische Probate (oder entsprechendes Dokument) vorgelegt werden.
Kommt das Gericht zur Überzeugung, dass die Voraussetzungen vorliegen, wird das Grant of Representation erteilt. Weist es einen Nachlassabwickler (executor) aus, wird es als "Grant of Probate" bezeichnet. Das dem administrator erteilte Zeugnis heißt "letters of administration" bzw. "letters of administration with the will annexed". Mit der Erteilung des grant wird das Testament ein öffentliches Dokument. Über die Webseite des UK kann das Zeugnis (Grant) nebst Testament nun gesucht werden. Wurde eine Dauersuche (standing search) vor weniger als 6 Monaten beantragt, erhält der Antragsteller automatisch Kopie.
Einspruch gegen die Erteilung des Probate
Gegen die Erteilung des Probate durch das Nachlassgericht kann mittels des Formulars PA 8 A Einspruch (caveat) eingelegt werden. Der Einspruch hat zur Folge, dass das Zeugnis Probate 6 Monate (ggf. zu verlängern) nicht erteilt werden darf, 44 (3) (a) N.C.P.A. Ein Einspruch kann z.B. sinnvoll sein, wenn
- Zweifel an der Richtigkeit des Testaments bestehen,
- es unklar ist, ob es ein Testament oder weitere Testamente gibt,
- unklar ist, ob dem Antragsteller das Antragsrecht zusteht,
- mehrere Personen ein Probate beantragen oder
- Zweifel an der Eignung des Antragstellers bestehen.
Verwaltung/Abwicklung des Nachlasses in England
Nach der Erteilung des Grant soll der Nachlassabwickler den Nachlass (estate) unverzüglich in Verwahrung nehmen.
Er soll aus dem Nachlass zahlen
- die Bestattungskosten (funeral expenses),
- Kosten der Nachlassabwicklung (administration expenses),
- Schulden des Erblassers (debts) und
- andere Verbindlichkeiten, Sec. 33 AEA 1925.
Zur Ermittlung von Gläubigern soll er im öffentlichen Anzeiger (The Gazette) einen Gläubigeraufruf (notice to creditors) veröffentlichen. Zu seinen Aufgaben gehört es ferner die englische Nachlasssteuer (UK inheritance tax) erklären und aus dem Nachlass zahlen, was Voraussetzung für die Erteilung des Grant ist.
Hat HMRC Rückfragen zur Erklärung, soll der Nachlassabwickler diese beantworten. Er sollte aber auch prüfen, ob eine Rückforderung von überzahlter Steuer in Betracht kommt (z.B. wenn sich die vorläufige Bewertung als zu hoch erweist). Vor Verteilung sollte er eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung (tax clearance) einholen.
Für das Todesjahr muss er eine Einkommensteuererklärung für den Erblasser vorbereiten. Ferner muss er die Einkünfte des Nachlasses in einer gesonderten Einkommensteuererklärung deklarieren.
Im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung des Nachlasses kann er auch Nachlassgegenstände einschließlich Immobilien veräußern, Sec. 33 (1) AEA 1925.
Verteilung und Rechenschaft
Der nach Begleichung der Schulden verbleibende Nachlass ist an die Begünstigten zu verteilen. Wie lange es dauert bis der Nachlass verteilt wird, hängt von der Komplexität und Schwierigkeit der Abwicklung ab. Vor einem Jahr ist aber eine Verteilung in der Regel nicht geschuldet.
Der Nachlassabwickler hat die Pflicht über Ein- und Ausgaben Buch zu führen und einen Rechenschaftsbericht am Ende der Verwaltung (estate accounts) zu erstellen (Sec. 25 AEA 1925). Die Begünstigten des Restnachlasses (residuary beneficiaries können Vorlage verlangen. Der Nachlassabwickler verlangt daher vor der Verteilung die Genehmigung des Rechenschaftsberichts und Entlastung.
Der Rechenschaftsbericht sollte enthalten
- eine genaue Beschreibung der Vermögensgegenstände und Nachlassverbindlichkeiten mit Wertangaben per Todestag (wie in den Formularen IHT205 oder IHT400).
- eine genaue Beschreibung des Einkommens und der gezahlten Steuern (nach Steuerjahr).
- eine Darstellung der Gewinne und Verluste aus dem Verkauf von Vermögensgegenständen oder Begleichung von Schulden.
- eine Aufstellung der erfüllten Vermächtnisse.
- eine Aufstellung der Kosten der Nachlassabwicklung (administration expenses) einschließlich der Zahlungen für die IHT mit Zuordnung zu den Begünstigten.
- Eine Aufstellung über das vor Verteilung verbleibende Vermögen bzw. Verbindlichkeiten.
- Einen Plan über die Verteilung.
Oftmals genügen Rechenschaftsberichte diesen Anforderungen nicht. Wenn der Begünstigte in Ansehung der Mängel Zweifel hat, dass die Verwaltung und vorgesehene Verteilung wie geschuldet erfolgt bzw. erfolgen soll, sollte er den Nachlassabwickler um ergänzende Informationen und Erläuterung bitten.
Bei Laien-Nachlassabwicklern sind Mängel des Rechenschaftsberichts oft die Folge fehlender Erfahrung und Expertise. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein dem Nachlassabwickler Hilfestellungen zu geben, die es dem Laien-Nachlassabwickler ermöglichen einen akzeptablen Bericht vorzulegen.
Wenn sich die Zweifel an der ordnungsgemäßen Verwaltung nicht ausgeräumt werden können, sollte eine gerichtliche Anordnung auf Vorlage eines Nachlassverzeichnisses und Rechenschaftsbericht beantragt werden (vgl. Sec. 25(b) AEA). Oftmals genügt auch die Drohung hiermit verbunden mit Hilfestellungen, um ein brauchbaren Bericht zu erhalten.
Wenn der Verdacht besteht, dass der Nachlassabwickler dem Nachlass Schaden zugefügt hat oder Vermögen veruntreut hat, kann auch ein Antrag auf Entlassung (Sec. 50 Administration of Justice Act 1985) der bessere Weg sein; allerdings sind die Kosten erheblich und die Gerichte stellen hohe Anforderungen an die Entlassung. Daher sollte ein Entlassungsantrag nur das letzte Mittel sein.
Steuerliche Pflichten in Deutschland bei Erbschaft in England
Deutsche Erbschaftssteuer
Bei Bezügen zu Deutschland kann deutsche Erbschaftsteuer anfallen. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erbschaftssteuer: Unbeschränkte Steuerpflicht in Deutschland.
Die deutschen Begünstigten sind nach § 30 ErbStG verpflichtet, dem deutschen Erbschaftsteuerfinanzamt ihren Erwerb binnen 3 Monaten ab "Kenntnis vom Erwerb" anzuzeigen (siehe hierzu Erwerbsanzeige nach § 30 Erbschafts- und Schenkungsteuergesetz im Erbfall). Dabei hindert der Umstand, dass der Nachlass durch einen Nachlassabwickler (executor) abgewickelt wird und dieser noch nicht an den Begünstigten ausgekehrt hat, nicht den Fristlauf (vgl. für executor nach dem Recht von New York: BFH, Urteil vom 8.6.1988, II R 243/82. BStBl. 1988 II S. 808, 810). Daher ist umgehend der Erwerb gegenüber dem Erbschaftsteuerfinanzamt anzuzeigen. Da die Abschlusszahlung bei deutsch-englischen Erbfällen oftmals erst nach 1 oder 2 Jahren erfolgt, wirken wir dabei auf eine großzügige Erklärungsfrist hin.
Unsere Leistung: Wir begleiten die gesamte Nachlassabwicklung in England steuerlich und beschaffen die für die Erklärung der deutschen Erbschaftsteuer benötigten Informationen. Gerne helfen wir auch bei der Anzeige nach § 30 ErbStG und der Erbschaftssteuererklärung. Dabei stellen wir sicher, dass alle Fristen gewahrt werden und Möglichkeiten zur Reduzierung der Steuer ausgeschöpft werden. Oftmals sorgen wir auch dafür, dass die Steuer aus dem Nachlass gezahlt wird, was zu erheblicher Ersparnis für unsere Mandanten führen kann. Schließlich stellen wir sicher, dass die UK Nachlasssteuer im zulässigem Umfang auf die deutsche Erbschaftsteuer angerechnet wird; wegen der Voraussetzungen verweisen wir auf den Beitrag Anrechnung der englischen Erbschaftssteuer auf die deutsche Erbschaftssteuer.
Deutsche Einkommensteuer
Einkünfte eines UK-Nachlasses können nach den Grundsätzen der Rechtsnachfolge von Todes wegen (§ 1922 BGB) oder nach § 15 AStG (Zurechnungsbesteuerung) anteilig den Einkünften des Begünstigten bei der deutschen Einkommensteuer zuzurechnen sein (BFH, Urteil vom 29.05.1984 – VIII R 29/80). Daher kann für die Steuerjahre, in denen der Nachlass Einkünfte erzielt hat, eine Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen – Feststellung nach § 18 Abs. 5 AStG abzugeben sein bzw. die Einkünfte des UK-Nachlasses sind bei der persönlichen Steuererklärung des Begünstigten zu berücksichtigen.
Unsere Leistung: Wir unterstützen Sie und ihren persönlichen Steuerberater gerne bei der Veranlagung der Einkünfte des UK-Nachlasses. Falls gewünscht bereiten wir auch (zusammen mit Ihrem Steuerberater) die Erklärung zur gesonderten – und einheitlichen – Feststellung nach § 18 Abs. 5 AStG vor.