Grundlagen:
Bevor erörtert wird, welche Besonderheiten bei Errichtung eines Testaments eines Deutschen mit Vermögen in Neuseeland zu beachten sind, wird nachfolgend in aller Kürze dargestellt,
- welches Erbrecht aus der Sicht Neuseeland anzuwenden ist und
- welche grundlegenden Regelungen das neuseeländische Erbrecht zu Testamenten trifft.
Anwendbares Erbrecht aus Sicht von Neuseeland
Hat ein Deutscher Vermögen in Neuseeland, muss sich der Berater in die Sicht eines neuseeländischen Gerichts versetzen und diese (neben der Sicht deutscher Gerichte) berücksichtigen. Die erste Frage, die sich ein neuseeländisches Gericht bei einem Erbfall stellt (neben Fragen der Zuständigkeit) ist die Frage, welches Recht anzuwenden ist. Aus Sicht von Neuseeland ist dabei zwischen bewegliches Vermögen (z.B. Bankkonto) und unbeweglichem Vermögen zu unterscheiden:
- im Hinblick auf bewegliches Vermögen (movables) das Recht des letzten Domizils (domicile) des Erblassers und
- im Hinblick auf das unbewegliches Vermögen (immovables) das Belegenheitsrecht (lex rei sitae) an.
Beispiel: Erblasser E, deutscher Staatsbürger, ist bei seinem Tod Eigentümer einer Wohnung in Auckland, welche er gelegentlich nutzt. Sein dauerhafter Aufenthalt war hingegen in Berlin, Deutschland. Außerdem hat er ein Investmentkonto bei einer Bank mit Sitz in Auckland. Aus Sicht eines neuseeländischen Gerichts wird die Wohnung in Auckland nach neuseeländischem Recht vererbt. Hingegen wird aus neuseeländischer Sicht das Investmentkonto nach deutschem Recht beerbt.
Ferner ist zu berücksichtigen, dass das auf die Nachlassabwicklung (administration of the estate) anzuwendende Recht nochmals anders ermittelt wird: Hier kommt das Recht zur Anwendung, welches am Ort des Gerichts (lex fori) gilt. Daher ist zwingend für den neuseeländischen Nachlass immer ein Erbschaftsabwickler zu bestellen.
Regelungen des neuseeländischen Erbrechts zur testamentarischen Erbfolge
Ergibt die Prüfung, dass neuseeländisches Erbrecht zur Anwendung kommt, sollte sich der Berater einen Überblick über das aus Sicht Neuseelands anzuwendende Recht verschaffen. Insbesondere sind zwingende Regeln zu beachten.
Nach neuseeländischem Recht ist nur das Zwei-Zeugen-Testament zulässig. Nach Sec. 14 des Wills Amendment Act 1955 wird ein außerhalb Neuseelands errichtetes Testament im Hinblick auf das bewegliche Vermögen der Form nach in Neuseeland aber anerkannt, wenn es
- dem Recht des domicile des Testators zur Zeit seines Todes,
- dem Recht des Errichtungsortes,
- dem Recht des domicile des Testators zur Zeit der Errichtung oder
- dem Recht des Ortes, wo der Testator zur Zeit der Errichtung sein domicile of origin hatte,
entspricht.
Materiell-rechtliche Fragen sind bei Vermögen in Neuseeland eher weniger bedeutsam, da das neuseeländische Recht vom Prinzip der Testierfreiheit geprägt ist, d.h. der Erblasser ist im Grundsatz in der Gestaltung seines Testaments frei. Zweckmäßig sind Bestimmungen zu
- Einzelzuwendungen (specific gift)
- Zuwendung des Restnachlasses (residuary beneficiary)
- Person und Befugnissen des Nachlassverwalters (executor)
Für den deutschen Berater ergeben sich allerdings insoweit Schwierigkeiten, als er die Begrifflichkeiten des neuseeländischen Rechts verstehen muss, um das deutsche Testament mit dem neuseeländischen Testament abzustimmen.
Beispiel: Im "neuseeländischen" Testament wird der Restnachlass (residuary estate) der zweiten Ehefrau des Erblassers zugewendet. Im "deutschen Testament" wendet der Erblasser sein deutsches Vermögen seinen Kindern zu. Die Kinder beantragen darauf einen Erbschein für das inländische Vermögen, welcher sie als Alleinerben ausweist. Die Ehefrau ist der Auffassung, dass sie Miterbin ist, da sie im Internet gelesen hat, dass der residuary beneficiary Erbe ist.
Testament bei Vermögen in Neuseeland
Der Testator sollte zunächst überlegen, ob er für Neuseeland ein gesondertes Testament oder ein einheitliches Testament für sein weltweites Vermögen. Beides hat Vor- und Nachteile.
Gesondertes Testament für Neuseeland
In der Regel wird empfohlen, für Neuseeland ein gesondertes Testament zu errichten. Hierfür spricht, dass
- sichergestellt ist, dass das Testament formal wirksam ist,
- das Original beim neuseeländischen Nachlassgericht eingereicht werden kann,
- eine Übersetzung ins Neuseeländische entbehrlich ist,
- das Testament auch dem Inhalt nach für ein neuseeländisches Nachlassgericht leichter verständlich ist und
- das neuseeländische Recht betreffend die Nachlassabwicklung besser berücksichtigt werden kann.
Gegen ein gesondertes Testament für Neuseeland spricht, dass es leicht zu Widersprüchen zwischen dem "deutschen Testament" und dem "neuseeländischen Testament" kommen kann. Um dies zu vermeiden, muss der Anwendungsbereich der Testamente genau abgegrenzt werden, was bisweilen schwierigen ist als viele Berater meinen.
Beispiel: Erblasser E errichtet gesonderte Testamente für Deutschland und Neuseeland. Unter "Anwendungsbereich" legt er im neuseeländischen Testament Folgendes nieder: "Dieses Testament ist für mein neuseeländisches Vermögen maßgeblich." Sein Nachlass umfasst unter anderem folgende Gegenstände: Aktien einer deutschen Bank, welche von einer neuseeländischen Bank verwaltet werden. Eine Forderung gegen einen Neuseeländer mit (Zweit-) Wohnsitz in Australien. Eine Immobilie in Auckland, für welche eine deutsche Bank mit Sitz in Deutschland ein Hypothekendarlehen gewährt hat.
Ferner spricht gegen ein gesondertes Testament die Gefahr eines "versehentlichen Widerrufs" bei späterer Änderung eines Testaments.
Beispiel: A hat für Deutschland und Neuseeland gesonderte Testamente errichtet. Kurz vor seinem Tod will er sein deutsches Testament ändern und Schreibt: „ich widerrufe meine vorherigen Testamente“. Dabei meint er sein deutsches Testament, nicht aber das neuseeländische Testament. Das Nachlassgericht wird nun zu prüfen haben, ob das neuseeländische Testament widerrufen wurde oder nicht. Dafür spricht der Wortlaut.
Größte Vorsicht ist geboten, wenn man das Vermögen nach Ländern unterschiedlichen Personen zuwendet.
Beispiel: Erblasser E wendet sein neuseeländisches Vermögen seinen Kindern zu und das deutsche Vermögen der neuen Lebensgefährtin. Die Kinder verlangen im Hinblick auf das deutsche Vermögen den Pflichtteil und argumentieren, dass sie in Deutschland enterbt wurden. Die Lebensgefährtin wendet ein, dass sie doch das neuseeländische Vermögen bekommen haben. Die Kinder meinen allerdings, da im Hinblick auf den "neuseeländischen Nachlass" neuseeländisches Erbrecht anzuwenden sei, sei dies egal.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass die Begriffsverwendung von neuseeländischen Anwälten kritisch hinterfragt werden sollte: Ungewünschte steuerliche Wirkungen kann z.B. die Verwendung des Begriffs Trust haben.
Einheitliches Testament
Rechtlich möglich ist es auch ein einheitliches Testament zu errichten. Ob dies zweckmäßig ist, ist allerdings eine andere Frage. Hiergegen spricht, dass
- zunächst geprüft werden muss, ob es in Neuseeland der Form nach anerkannt wird,
- im Erbfall erklärt werden muss, warum das Original beim neuseeländischen Nachlassgericht nicht eingereicht werden kann,
- eine Übersetzung ins Neuseeländische erforderlich ist,
- das Testament auch neuseeländischen Recht (z.B. Nachlassabwicklung) berücksichtigen muss und
- im Erbfall das neuseeländische Gericht sich mit den verwendeten Begrifflichkeiten auseinandersetzen muss.
Wenn man sich entscheidet, ein einheitliches Testament zu errichten, sollte man sich daher immer von einem Experten für neuseeländisches Erbrecht beraten lassen. Hierauf weisen Notare auch in aller Regel hin.
Testamentsersatzgeschäfte
Viel verbreiteter als in Deutschland sind in Neuseeland Testamentsersatzgeschäfte, z.B. Trust, joint tenancy oder Begünstigungen auf den Tod aus einem Bankvertrag. Der Berater sollte zum einen erwägen, ob durch diese nicht der Wille des Erblassers besser umgesetzt werden kann.
Zum anderen muss der Berater, der nur mit der Erstellung eines Testaments beauftragt ist, sicherstellen, dass das Testament mit bestehenden Testamentsersatzgeschäften abgestimmt ist. Andernfalls kann es leicht zu einer Verfälschung des Willens des Erblassers kommen.
Beispiel: E hat mit der B-Bank, Sitz Auckland, vereinbart, dass das Guthaben des gemeinsamen Kontos auf seinen Tod der Mit-Kontoinhaberin, seiner Ehefrau zuwachsen soll. Im Testament wendet er ihr 1/2 des Nachlasses zu, wobei er nicht bedenkt, dass seine Ehefrau bereits "außerhalb des Nachlasses" 1/2 des Kontoguthabens erhält. Seine Kinder (aus erster Ehe) sind "not amused" und greifen das Testament an (was zu einem vom Erblasser nicht gewünschten Streit führt).