Anwendbares Erbrecht
Durch die seit dem 17.08.2015 (vollständig) anzuwendender Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) haben sich einschneidende Änderungen im Hinblick auf die Frage, welches Erbrecht beim Tod eines Deutschen anwendbar ist, ergeben.
Vor dem Inkrafttreten der EuErbVO richtete sich das anzuwendende Erbrecht aus deutscher Sicht nach der Staatsangehörigkeit des Verstorbenen zum Zeitpunkt seines Todes, mithin nach dem deutschen Erbrecht.
Für Todesfälle ab dem 17.08.2015 unterliegt gemäß Art. 21 EuErbVO die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen im Grundsatz nunmehr dem Recht des Staates, in dem der verstorbene Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlicher Aufenthalt (domicilio habitual) hatte. Daher gilt für deutsche Staatsangehörige, welche zum Todestag ihren Lebensmittelpunkt in Spanien hatten, grundsätzlich das spanische Erbrecht.
Vor dem Hintergrund dieser Neuregelung durch die EuErbVO stellt sich nun die Frage, ob ein vor dem 17.08.2015 errichtetes gemeinschaftliches Testament von Ehegatten wirksam ist und Bindungswirkung (validez material del pacto sucesorio) hat, wenn beide Ehegatten mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien versterben.
Beispiel: Die Eheleute Mustermann, beide deutsche Staatsangehörige, verlegen im Jahre 1999 ihren gewöhnlichen Aufenthalt nach Spanien. im Jahre 2005 errichten sie in Spanien ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament. In diesem Testament haben sie bestimmt, dass der Letztversterbende von beiden Eheleuten der Alleinerbe des Erstversterbenden sein soll. Nach dem Tod des Letztversterbenden soll dann die gemeinsame Tochter Schlusserbin des überlebenden Ehegatten sein. Die Ehefrau verstarb 2008. Der überlebende Ehemann hat im Jahre 2010 ein privatschriftliches Einzeltestament errichtet, in dem er alle bisherigen Testamente widerrufen und zu seiner alleinigen Erbin seine neue Lebensgefährtin bestimmt hat. Der Ehemann verstarb 2016.
Erbfolge auf den Tod des vor dem 17.08.2015 verstorbenen Ehegatten
Bei Tod vor dem 17.08.2015 richtet sich die Erbfolge nach einem deutschen ausschließlich nach dessen Staatsangehörigkeit (Heimatrecht). Nach dem deutschen Erbrecht ist ein Gemeinschaftliches Testament (testamento mancomunado) zulässig und ihm kommt Bindungswirkung zu. Diese Bindungswirkung wird auch in Spanien anerkannt. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen die spanische Öffentliche Ordnung (orden público) vor (TS vom 8.10.2010, recurso 313/2007).
Anwendung auf den Beispielsfall: Das bedeutet, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des anderen Ehepartners an die in dem Ehegattentestament gemeinsam getroffenen Bestimmungen gebunden ist, so daß der überlebende Ehegatte keine weiteren Testamente wirksam errichten kann, welche von den Bestimmungen des Ehegattentestaments abweichen.
Erbfolge auf den Tod am oder nach dem 17.08.2015 verstorbenen Ehegatten
Beim Tod am oder nach dem 17.08.2015 ist im Grundsatz die EuErbVO zur Bestimmung des anwendbaren Rechts anzuwenden. Danach ist das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalt maßgeblich. Nun ist die Frage, ob dies auch im Hinblick auf die Wirkungen eines Berliner Testaments, welches vor dem 17.08.2015 errichtet wurde, gilt.
Nach Art. 25 EuErbVO ist im Hinblick auf die "Die Zulässigkeit, die materielle Wirksamkeit und die Bindungswirkungen eines Erbvertrags" der gewöhnliche Aufenthalt im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrags maßgeblich. Ein "Erbvertrag" in diesem Sinne ist auch die sich aus einem gemeinschaftlichen Testament ergebende Bindungswirkung.
Anwendung auf den Beispielsfall: Folglich hat das Berliner Testament aus dem Jahre 2005 Bindungswirkung und das Einzeltestament des Ehemannes aus dem Jahre 2010 zugunsten seiner neuen Lebensgefährtin ist somit unwirksam. Vor dem Hintergrund der Bindungswirkung des Ehegattentestamentes hätte der Ehemann das Einzeltestament nicht mehr errichten dürfen, da es dem Ehegattentestament widerspricht. Die gemeinsame Tochter ist Erbin nach dem Ehemann geworden.
Glossar: Gemeinschaftliches Testament (testamento mancomunado)