Leitsätze:
- Die Erbschaftsteuer, die ein ausländischer Staat auf den Erwerb von Kapitalvermögen erhebt, das ein inländischer Erblasser in dem Staat angelegt hatte, ist bei Fehlen eines DBA weder auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen noch als Nachlassverbindlichkeit zu berücksichtigen.
- Führt die Doppelbesteuerung zu einer übermäßigen, konfiskatorischen Steuerbelastung, kann eine Billigkeitsmaßnahme geboten sein.
BFH, Urteil v. 19.6.2013, II R 10/12, veröffentlicht am 31.7.2013
Hintergrund
2000 beerbte die Klägerin (Erbin) ihre Großtante (Erblasserin). Die Erbschaft bestand u.a. aus französischen Guthaben und Wertpapieren, die von einer französischen Bank verwaltet wurden.
Auf den in Frankreich belegenen Nachlass fiel französische Erbschaftsteuer bei einem Steuersatz von 55 % an. Das deutsche Finanzamt setzte deutsche Erbschaftsteuer bei einem Steuersatz von 29 % fest. Die Gesamtsteuerbelastung betrug daher 84 %. Wegen der offenbaren Härte erließ das Finanzamt einen Teil der Steuerschuld.
Den Antrag auf Anrechnung der französische Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftssteuer nach § 21 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz wurde nicht entsprochen. Auch wurde die französische Erbschaftsteuer nicht als Nachlassverbindlichkeit berücksichtigt.
Der BFH verneinte einen Verstoß gegen europäisches Recht. Es liege weder ein Verstoß gegen den Eigentumsgarantie. Im Hinblick auf den Gesetzeswortlaut und die Gesetzesentwicklung lehnt der BFH auch den Abzug der französischen Erbschaftsteuer als Nachlassverbindlichkeit ab.
Anmerkungen:
- Im Verhältnis zu Frankreich wird nunmehr durch das deutsch-französische Doppelbesteuerungsabkommen-Erbschaftsteuer vom 12.10.2006 (in Kraft getreten am 3.4.2009) vermieden.
- Derzeit gibt es nur mit fünf Staaten Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschafts- und Schenkungssteuer: Schweiz, Schweden, USA, Dänemark und Frankreich.
- Da der Erlassbescheid des FA nicht Verfahrensgegenstand war, hat sich der BFH nicht im Einzelnen dazu geäußert, ab welcher Gesamtsteuerbelastung ein Teilerlass geboten ist. Er betont jedoch eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes zu einem "ungewollten Überhang" führt.
- Der Klage hat gegen die Entscheidung Verfassungsbeschwerde eingelegt (Aktenzeichen des BVerfG 1 BvR 2488/13)