FG Hamburg: Maßgeblichkeit der Verfügungsmacht für die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 AStG

1. Die Zurechnungsbesteuerung nach § 15 Abs. 1 AStG betreffend ausländische Familienstiftungen setzt auch nach der Einfügung des § 15 Abs. 6 AStG mit dem Jahressteuergesetz 2009 voraus, dass die Familienstiftung eigene Einkünfte erzielt. Die wirtschaftliche Zuordnung streitbefangener Vermögenswerte und Einkünfte nach § 39 AO ist für eine Anwendung des § 15 AStG weiterhin vorrangig zu prüfen (vgl. zur alten Rechtslage, BFH, Urteil vom 22. Dezember 2010, I R 84/09, BStBl. II 2014, 361).

2. Das Tatbestandsmerkmal der Entziehung der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht nach § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG ist nicht eng, also etwa allein auf eine zivilrechtliche Verfügungsbefugnis bezogen, sondern weiter auszulegen. Da die Vorschrift ertragsteuerlichen Charakter hat, ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise maßgeblich. Der Gesetzgeber wollte neben der rechtlichen Verfügungsbefugnis auch die tatsächliche Verfügungsmacht umfasst wissen.

3. Für die von § 15 Abs. 6 Nr. 1 AStG geforderte Entziehung der rechtlichen und tatsächlichen Verfügungsmacht ist maßgeblich, dass keine der im Sinne des Abs. 2 berechtigten Personen diese innehat.

4. Die tatsächliche Verfügungsmacht kann unter den konkreten Umständen des Einzelfalls auch bejaht werden, wenn eine oder mehrere der im Sinne des § 15 Abs. 2 AStG berechtigten Personen über die Stimmrechtsmehrheit in dem Gremium einer Stiftung verfügen oder diese gesichert erlangen können, das die wesentlichen Entscheidungen über das Vermögen der Stiftung trifft und durchsetzen kann.

5. Für diese Prüfung ist nicht allein die Satzung maßgeblich, sondern es sind auch weitere die Verfügungsmacht berührende Rechtsakte wie insbesondere Testamente, Nebenstatuten, Weisungen, Side Letters oder Verträge maßgeblich, die von dem Stifter, den Personen nach § 15 Abs. 2 AStG oder den Stiftungsorganen ausgestellt worden sind.

FG Hamburg 6. Senat, Urteil vom 17.12.2020, 6 K 307/19, Revision eingelegt. Aktenzeichen des BFH: I R 11/21

Anmerkung:

Entsprechendes gilt für Einkünfte von Vermögensmassen im Sinne von § 15 AStG, also insbesondere bestimmte Trusts. 

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