Nachlassverfahren in England und Wales: Einspruch gegen die Erteilung eines Grant

Als englische Anwältin (Solicitor England & Wales) und Spezialistin für Nachlassverfahren in England und Wales habe ich Hunderte von Nachlassverfahren in England und Wales geführt. Der Beitrag erläutert die Funktion und Wirkungsweise eines Einspruchs (caveat) gegen die Erteilung eines Nachlasszeugnisses (grant).

Einführung

Für die Abwicklung eines Nachlasses in England oder Wales wird in der Regel ein englisches Nachlasszeugnis (grant) benötigt. Dieses kann auf Antrag der im Testament bestimmten Person oder, wenn es eine solche nicht gibt, der nach der gesetzlichen Rangfolge bezeichneten Person erteilt werden. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Probate und Administration - das Verfahren zur Abwicklung eines Nachlasses in England und Wales

Bedeutung eines Einspruchs

Durch einen Einspruch (caveat) wird die Erteilung eines Nachlasszeugnisses (grant) vorübergehend ausgesetzt. Dies gibt Personen, die möglicherweise einen Anspruch am oder gegen den Nachlass haben,  Zeit zur Prüfung der Sach- und Rechtslage. 

Berechtigung

Berechtigt einen Einspruch einzulegen ist jede Person über 18 Jahren, die ein berechtigtes Interesse (legitimate interest) am Nachlass (estate) hat, z.B.

  • eine in einem Testament begünstigte Person (beneficiary),
  • ein gesetzlicher Erbe (intestate heir) oder
  • ein Gläubiger des Nachlasses (creditor). 

Einspruch (caveat) gegen die Erteilung eines Nachlasszeugnisses  

Der Einspruch kann per Post unter Verwendung des Formulars PA8A erfolgen. In diesem Fall ist der Einspruch beim HMCTS Probate

Leeds District Probate Registry
York House
31 York Place
Leeds
LS1 2BA

einzureichen. 

Möglich ist auch ein Einspruch über die Seite der britischen Regierung

Die Gerichtsgebühr für einen Einspruch ist £3 und ist mit Einreichung des Antrags zu zahlen.

Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs

Der Einspruch kann jederzeit nach dem Tod einer Person gestellt werden. Es gibt keine Frist für die Einlegung des Einspruchs. Nach Erteilung eines Nachlasszeugnisses (grant) geht er aber ins Leere. 

Folgen des Einspruchs

Der Einspruch hat zur Folge, dass der Grant of Probate 6 Monate (ggf. zu verlängern) nicht erteilt werden darf, Sec. 44 (3) (a) NCPR.

Weiteres Verfahren

Auf den Einspruch kann der Antragsteller eine "warning" einlegen. Diese hat zur Folge, dass die Person, die den Einspruch gestellt hat, 14 Tage Zeit hat (einschließlich des Zustellungsdatums), um entweder eine Erklärung ("appearance") abzugeben, in der sie ihre Gründe für die Aufrechterhaltung des Einspruchs darlegt, oder den Einspruch zurückzunehmen.

Wird die Erklärung ("appearance") nicht fristgemäß nachgekommen, wird der Einspruch unwirksam.

Wenn die Erklärung abgegeben wird, kann der Einspruch (caveat) nur mit Zustimmung der Parteien oder durch Gerichtsbeschluss aufgehoben werden.

Entscheidung über die Einlegung eines Einspruchs

Ein Einspruch kann z.B. sinnvoll sein, wenn

  • Zweifel an der Echtheit des Testaments bestehen,
  • es unklar ist, ob es ein Testament oder weitere Testamente gibt,
  • unklar ist, ob dem Antragsteller das Antragsrecht zusteht,
  • mehrere Personen ein Probate beantragen oder
  • Zweifel an der Eignung des Antragstellers bestehen. 

Die Einlegung eines Einspruchs sollte gut überlegt sein, da

  • der Einspruch das Verfahren verzögert,
  • zu weiteren Kosten führen kann,
  • das Risiko einer Eskalation besteht. 

Fazit

Ein Einspruch (caveat) ist ein wichtiges Instrument im englischen Nachlassverfahren, da er Zeit zur Prüfung der Sach- und Rechtslage und für eine einvernehmliche Lösung gibt. Die Entscheidung über einen Einspruch sollte jedoch mit Bedacht und Sorgfalt erfolgen. Als englische Anwältin und Spezialistin für deutsch-englisches Erbrecht berate ich Sie gerne betreffend die Frage, ob ein Einspruch zweckmäßig ist. 

Diesen Artikel bewerten
 
 
 
 
 
 
 
1 Bewertungen (100 %)
Bewerten
 
 
 
 
 
 
 

Sie haben Fragen zu unseren Leistungen oder der Beauftragung der Kanzlei?

Wir helfen Ihnen gerne. Um die Kontaktaufnahme für Sie und uns so einfach und effizient wie möglich zu gestalten, bitten wir vorrangig unser Kontaktformular zu benutzen und Ihr Anliegen zu schildern. Sie können auch Dokumente beifügen. Nach Absendung Ihrer Anfrage teilen wir Ihnen in der Regel binnen 2 Arbeitstagen mit, ob wir Ihnen helfen können und unterbreiten ggf. Terminvorschläge. Selbstverständlich ist Ihre Anfrage nicht mit Verpflichtungen für Sie oder uns verbunden. Wegen der Kosten einer etwaigen ersten Beratung oder weitergehenden Beratung finden Sie unter Vergütung Informationen. Falls Sie es bevorzugen einen bestimmten Rechtsanwalt unmittelbar zu kontaktieren oder uns anzurufen, finden Sie unsere Kontaktdaten unter "Rechtsanwälte" oder bei "Standorte".

Auf Wunsch beraten wir auch telefonisch oder über Zoom. Allgemeine Informationen zu Zoom-Treffen finden Sie auf der Zoom-Seite

Erbrecht-Aktuell