Anwendbares Erbrecht und Pflichtteil
Aus Sicht Kanadas gelten im Hinblick auf die Bestimmung des auf den Pflichtteil und die gesetzlichen Rechte des Ehegatten anzuwendenden Rechts die gleichen Regeln wie für andere Fragen der Rechtsnachfolge von Todes wegen (succession). Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Internationales Erbrecht (IPR) - Britisch Kolumbien.
Aus deutscher Sicht bestimmt sich das anwendbare Erbrecht für Erbfälle ab dem 17.08.2015 nach der Europäischen Erbrechtsverordnung. Danach kommt es im Grundsatz auf den den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Eine Ausnahme für unbewegliches Vermögen in Kanada gibt es - aus der Sicht Deutschlands - nicht mehr.
Da aus kanadischer Sicht im Hinblick auf Immobilien in Kanada immer kanadisches Erbrecht anzuwenden ist, birgt die Rechtslage die Gefahr unterschiedlicher Rechtsanwendung und des Forum Shopping.
Betreffend Grundvermögen in Deutschland kann es zu einer Rückverweisung und einer Nachlassspaltung kommen.
Pflichtteil und angemessene Beteiligung am Nachlass nach dem Recht von BC
Einen Pflichtteil im Sinne einer der Höhe nach festen Mindestbeteiligung am Nachlass wie im deutschen Recht ist in BC unbekannt.
Nach Part 4 Division 6 (variation of wills) WESA kann das Gericht allerdings die testamentarischen Verfügungen des Erblasser zu Gunsten des Ehegatten und der Kinder ändern, wenn diese "unangemessen" sind.
Verteilen kann das Gericht alle Gegenstände, die in den Nachlass gefallen sind, also nicht etwa die Zahlung einer Lebensversicherung. Der Vermögensübergang außerhalb des Nachlasses kann aber für die Bestimmung des billigen Anteils (fair share) berücksichtigt werden.
Der Anspruchsteller muss nicht nachweisen, dass er bedürftig ist (vgl. Walker v. McDermott [1931] SCC 94; Tataryn v. Tataryn [1994] 2 SCR 807).
Das Gericht gewährt das, was vernünftigerweise zu erwarten war. Dies ist das, was ein verständiger Elternteil unter den gegebenen Umständen und unter Berücksichtigung der Werte der Zeit (Clucas v. Clucas BCSC A9732988) verfügt hätte. In neuester Zeit wurden 6 Kriterien herausgearbeitet (McBride v. Voth 2010 BCSC 443, Ballance J.):
- Beteiligung an der Pflege;
- Schweres Fehlverhalten;
- Zu verantwortende Entfremdung;
- Zuwendungen außerhalb des Nachlasses;
- Ungleiche Behandlung von Kindern;
- Gründe des Erblassers für die Enterbung.