Erbschaftsteuer und Nachlasssteuer
In der deutschsprachigen Literatur und den Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung wird die UK Inheritance Tax zumeist als "Nachlasssteuer" bezeichnet, da sie – anders als die deutsche Erbschaftsteuer – auf den ungeteilten Nachlass erhoben wird und nicht auf den Erwerb der Begünstigten (sog. Erbanfallsteuer).
Zur Vereinfachung wird die UK Inheritance Tax nachfolgend als "britische Erbschaftsteuer" bezeichnet.
Rechtsgrundlage und räumlicher Anwendungsbereich
Im gesamten Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland (United Kingdom, kurz: UK) - nicht aber auf den Jersey Island, Guernsey, Isle of Man oder anderem Besitz der Krone (crown dependency) - wird auf der Grundlage des Inheritance Tax Act 1984 (IHTA) eine Todesfallsteuer - die "UK inheritance tax" - erhoben.
Gegenstand der Besteuerung
Besteuert wird der Wert des steuerpflichtigen Vermögensübergangs (chargeable transfer), section 1 IHTA 1984.
Ein steuerpflichtiger Vermögensübergang ist jede Übertragung von Vermögenswerten durch eine natürliche Person, welche nicht steuerfrei ist, section 2 (1) IHTA 1984.
Eine Übertragung von Vermögenswerten ist jede Verfügung einer Person, in Folge derer der Wert ihres Vermögens unmittelbar nach der Verfügung geringer ist, als es ohne die Verfügung gewesen wäre; der Wert, um den es sich verringert hat, ist die Übertragung auf den Begünstigten, section 3 IHTA 1984.
Beim Tod wird das gesamte Vermögen als unmittelbar vor dem Tod übertragen behandelt, section 4 IHTA 1984. Zum Vermögen in diesem Sinne gehören im Grundsatz alle Gegenstände, an denen der Erblasser Rechte hatte, section 5 IHTA 1984. Besteuert wird daher nicht nur, was in den Nachlass fällt, sondern auch Vermögensgegenstände, welche außerhalb des Nachlasses, z.B. durch ein Anwachsungsrecht (joint tenancy) oder eine Begünstigung auf den Tod (right of survivorship) übergehen.
Umfang der Besteuerung
Besteuerung des weltweiten Vermögensübergangs (unbeschränkte Steuerpflicht)
Der weltweite Vermögensübergang auf den Tod einer Person, die ein langfristig-UK-Ansässiger (long-term UK resident), kurz LTR, war, wird der UK IHT unterworfen.
Hinweis: Wo der Wohnsitz (residence) des Erwerbers (Erben, Vermächtnisnehmer) ist, ist für den Umfang der Steuerpflicht bei der UK-Erbschaftsteuer unerheblich.
Daneben kann sich ein aus Doppelbesteuerungsabkommen (z.B. USA (1979/1522)) etwas anderes ergeben. Zwischen Deutschland und dem UK gibt es aber kein Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erbschafts-, Nachlass- oder Schenkungsteuer.
Unsere Leistung: Wir klären im deutsch-britischen Erbfall, ob der weltweite Vermögensübergang auf den Tod einer Person der UK IHT unterworfen wird oder nur das Vermögen im UK.
Besteuerung des Vermögens im UK (beschränkte Steuerpflicht)
Nach sec. 6 IHTA wird das Vermögen außerhalb des UK nicht besteuert, wenn der ursprüngliche Inhaber (z.B. Erblasser oder Schenker) kein LTR war. Anders ausgedrückt: Wenn der Erblasser kein LTR war, wird nur das UK-Vermögen besteuert. Zum UK-Vermögen gehört
- Grundvermögen im UK und dessen Inventar,
- im UK registrierte Geschäftsanteile (shares) und
- (im Grundsatz) Forderungen gegen eine Person mit Sitz im UK (z.B. aus Kontokorrent oder Sparvertrag).
Hinweis: Grundvermögen im UK, welches über einen offshore-trust oder eine Offshore-Gesellschaft außerhalb des UK gehalten wird, unterliegt somit nicht der IHTA, wenn der Erblasser kein Domizil im UK hatte. Allerdings gibt es Bestrebungen, dies zu ändern. Regelungen hierzu waren auch im 2017 Finance Act enthalten, wurden aber wegen der anberaumten Neuwahlen zurückgestellt.
Bewertung
Gemäß Section 160 IHTA 1984 ist der Wert eines Vermögensgegenstands zu einem beliebigen Zeitpunkt der Preis, der bei einem Verkauf auf dem freien Markt zu diesem Zeitpunkt vernünftigerweise erwartet werden kann. Weitergehende Informationen finden Sie in dem Beitrag Bewertung von Immobilien für Zwecke der UK-Erbschaftsteuer und dem Beitrag Bewertung von Wertpapieren für Zwecke der UK-Erbschaftsteuer.
Unsere Leistung: Wir beraten Sie bei der Bewertung von Grundvermögen im UK für Zwecke der UK-Erbschaftsteuer.
Steuerbefreiungen der britischen Erbschaftssteuer
Ausgenommen von der britischen Erbschaftssteuer sind u.a.
- Vermögensübergänge von Todes wegen unter einem Betrag von £325,000 (allgemeiner Freibetrag),
- bestimmte Altersvorsoergepläne und Pensionen,
- geringwertige Schenkungen,
- wohltätige Zuwendungen und
- bestimmtes Betriebsvermögen und landwirtschaftliches Vermögen.
Allgemeiner Freibetrag
Der allgemeine Freibetrag (threshold, nil rate band) der britischen Erbschaftsteuer beträgt für Todesfälle vom 6. April 2009 bis 5. April 2024 £325,000.
Wenn eine verheiratete Person verstirbt und der allgemeine Freibetrag auf ihren Tod nicht ausgeschöpft wird, weil der Übergang auf den Ehegatten steuerfrei ist (siehe unten), kann der nicht genutzte Freibetrag auf den überlebenden Ehegatten übertragen werden. Der Antrag auf Übertragung des Freibetrag muss innerhalb von 2 Jahren nach dem Tod des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners an HMRC gestellt werden.
Steuerbefreiung für den Übergang auf den Ehegatten
Vollständig von der britischen Erbschaftsteuer befreit ist gemäß Section 18 IHTA der Vermögensübergang auf den überlebenden Ehegatten oder Lebenspartner (civil partner).
Folgende Personen sind keine Ehegatten
- Personen, die zusammenleben, aber nicht rechtmäßig verheiratet sind, unabhängig davon, wie lange die Beziehung gedauert hat (in England, Wales und Nordirland);
- Parteien einer bigamischen Ehe;
- Personen, die früher rechtmäßig verheiratet waren, aber vor dem Zeitpunkt des Todes/der Übertragung geschieden wurden.
Lebenspartner sind Paare, die eine vertragliche Partnerschaft eingegangen sind, die nach dem am 5. Dezember 2005 in Kraft getretenen Gesetz über die Lebenspartnerschaft (Civil Partnership Act 2004) förmlich gesetzlich anerkannt ist. Neben im Vereinigten Königreich geschlossenen zivilen Partnerschaften erkennt das Gesetz auch einige ausländische Beziehungen an, insbesondere die in seinem eigenen Anhang 20 aufgeführten Beziehungen (dort ist auch die eingetragene Partnerschaft nach deutschem Recht gelistet).
Der Begriff "Lebenspartner" gilt nicht für Personen, deren Lebenspartnerschaft vor dem Zeitpunkt des Todes/der Übertragung durch einen Gerichtsbeschluss aufgelöst wurde.
Die Steuerbefreiung wird nicht gewährt, wenn der Erblasser aber nicht der überlebende Ehegatte ein Domizil im UK hatte. In diesem Fall erhält er nur einen zusätzlichen Freibetrag von £325.000. Im Ergebnis kann ein Ehegatte £650,000 auf seinen Ehegatten, der nicht im UK sein Domizil hat, übertragen.
Ferner kann der überlebende Ehegatte ohne Domizil im UK wählen, für Zwecke der Erbschaftssteuer als im UK domiziliert zu behandelt zu werden, so dass er von der vollen Freistellung profitiert. Das Wahlrecht kann zu Lebzeiten des im UK domizilierten Erblassers oder binnen einer Frist von 2 Jahren nach seinem Tod ausgeübt werden.
Freibetrag für das Familienheim
Mit Wirkung für Sterbefälle ab dem 6. April 2017 wurde ein zusätzlicher Freibetrag für das Familienheim (residence nil rate band oder kurz RNRB) eingeführt. Der Nachlass ist zu einem zusätzlichen Freibetrag für das Familienheim berechtigt (RNRB), wenn- der Erblasser am oder nach dem 6. April 2017 verstorben ist,- der Erblasser Eigentümer eines Familienheims oder eines Teils davon war und dieses in seinen Nachlass (estate) gefallen ist- die Abkömmlinge (z.B. Kinder oder Enkel) das Familienheim erben,- der Wert des Nachlasses nicht höher als £2 Mio. ist (sonst wird er in Stufen gekürzt). Der Betrag wird jährlich erhöht und beträgt
£100,000 in 2017 bis 2018,
£125,000 in 2018 bis 2019,
£150,000 in 2019 bis 2020 und
£175,000 in 2020 bis 204.
Der ungenutzte Freibetrag des Ehegatten kann im Grundsatz auf den Überlebenden übertragen werden.
Geringwertige Schenkungen
Geringwertige Schenkungen bis £ 250 und die ersten £3.000, welche in einem Steuerjahr verschenkt werden, sind steuerfrei, wobei der Betrag aus dem Vorjahr genutzt werden kann.
Wohltätige Zuwendungen
Vollständig von der Erbschaftsteuer befreit sind außerdem wohltätige Zuwendungen.
Betriebsvermögen und landwirtschaftliches Vermögen
Betriebsvermögen ist im Rahmen des "IHT Business Property Relief Act" steuerbefreit. Landwirtschaftliches Vermögen im Rahmen des Agricultural Property Relief Act.
Aktuell: Anlässlich der Haushaltsplanungen kündigte der Finanzminister (Chancellor) am 30. Oktober 2024 an, dass die Erleichterungen für landwirtschaftliches Vermögen (Agricultural Property Relief, APR) und Betriebsvermögen (Business Property Relief, BPR) bei der UK-Nachlasssteuer (UK Inheritance Tax) reformiert werden sollen.
Ab dem 6. April 2026 wird die volle 100-prozentige Befreiung von der UK-Nachlasssteuer auf die ersten 1 Mio. GBP landwirtschaftlichen Vermögens und Betriebsvermögen beschränkt sein.
Über diesen Betrag hinaus erfolgt eine Besteuerung zu einem ermäßigten Steuersatz von 20 % (statt der üblichen 40 %). Die Steuer kann in Raten über einen Zeitraum von 10 Jahren zinsfrei getilgt werden.
Die Steuerbefreiung ist zusätzlich zu dem allgemeinen Freibetrag und der Ehegattenfreistellung. Daher können zwei Ehegatten, die über landwirtschaftliche Flächen verfügen, je nach ihren Verhältnissen bis zu 3 Millionen GBP vererben, ohne dass UK-Nachlasssteuer anfällt.
Steuersatz der britischen Erbschaftssteuer
Der Steuersatz (tax rate) für Beträge über dem Freibetrag beträgt 40 %.
Besondere Regeln für Schenkungen zu Lebzeiten
Bestimmte Schenkungen zu Lebzeiten werden vorläufig von der Besteuerung freigestellt. Solche Schenkungen werden als möglicherweise ausgenommene Übertragungen (potentially exempt transfers, PETs) bezeichnet.
Übertragungen auf ein Treuhandvermögen (Trust) oder eine Gesellschaft können hingegen sofort die britische Erbschaftsteuer auslösen, sogenannte sofort steuerbare Schenkungen (immediately chargeable gifts).
Besondere Regeln gelten außerdem für Schenkungen unter Vorbehalt von Rechten (gifts with reservation, GWR).
Hinweis: Bei Bezügen zu Deutschland sollte ein Treuhandvermögen (Trust) nur nach vorhergehender Beratung zur Nachlassplanung verwendet werden, da der Übergang auf bestimmte Trusts gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG Schenkungssteuer in der Steuerklasse III auslöst, siehe hierzu unseren Aufsatz "Besteuerung von Common Law Trusts in Deutschland".
Stirbt der Schenkende binnen 7 Jahren nach der Schenkung, wird die Schenkung bei der Berechnung der IHT auf den Tod des Schenkers hingerechnet. Der Steuersatz wird aber gemäß Section 7 (5) IHTA wie folgt zu gekürzt (taper relief):
| Jahre zwischen Übertragung und Tod | Ermäßigung in % | Anteil der steuerbaren Übertragung in % |
| 3 bis 4 | 20 | 80 |
| 4 bis 5 | 40 | 60 |
| 5 bis 6 | 60 | 40 |
| 6 bis 7 | 80 | 20 |
Beispiel: Der Witwer Mr Smith schenkte seinem Sohn (nachdem er seinen jährlichen Freibetrag verbraucht hatte £425.000, 5½ Jahre vor seinem Tod). Beim Tod des Mr. Smith bestand sein Vermögen in einem Haus mit einem Wert von £200,000 und anderen Vermögensgegenständen mit einem Wert von £300,000. Zunächst wird die IHT auf die Schenkung wie folgt berechnet.
|
| Wert in £ |
| Geschenk | 425.000 |
| Abzüglich des Freibetrags | 325.000 |
| Der IHT unterfallende Schenkung | 100.000 |
| Anwendung des Steuersatzes (40 %) | 40.000 |
| Abzüglich Ermäßigung (60 % von 40.000) | 24.000 |
Sodann wird die IHT auf den Nachlass berechnet.
|
| Wert in |
| Haus | 200.000 |
| Andere Vermögensgegenstände | 300.000 |
| Freibetrag bereits verbraucht, siehe oben | 0 |
| Steuerpflichtiger Nachlass | 500.000 |
Erklärung der britischen Erbschaftssteuer
In den meisten Fällen ist die britische Erbschaftsteuer binnen 12 Monaten zu erklären und zu zahlen. Die Frist beginnt am Ende des Monats, in welchem der Erblasser verstorben ist. Die Erklärung erfolgt mittels amtlicher Formulare.
Verantwortlich für die Erklärung ist der Nachlassabwickler (personal representative). Vor der (vorläufigen) Erklärung und Zahlung wird ihm nicht der englische Erbschein (grant) erteilt und er kann über den Nachlass nur mit Zustimmung des Gerichts entscheiden (siehe hierzu unseren Aufsatz Probate - das gerichtliche Nachlassverfahren in England).
Unsere Leistung: Frau Niamh Lewis, englische Anwältin (Solicitor England & Wales) und Spezialistin für Nachlassverfahren, bereitet für Sie die UK-Erbschaftsteuererklärung vor. Ferner unterstützt Frau Lewis bei der Nachlassregelung in England und Wales.
Deed of Variation und Ausschlagung
Oftmals wird von englischen Anwälten empfohlen, die Begünstigung mittels einer sog. deed of variation zu ändern. Dies kann allerdings bei Bezügen unerwünschte steuerliche Folgen haben (siehe hierzu unseren Beitrag Deef of Variation und Erbschaftsteuer/Schenkungssteuer).
Deutsche Erbschaftsteuer bei Erbschaft aus dem UK
Neben der britischen Erbschaftsteuer kann auch die deutsche Erbschaftsteuer anfallen, z.B. weil der Erblasser einen Wohnsitz im Sinne von § 8 AO in Deutschland hatte oder der Erwerber (z.B. Erbe) ein Inländer ist, siehe hierzu auch den Beitrag Erbschaftsteuer: Steuerpflicht in Deutschland.
Vorsicht: Der Erwerb tritt gemäß § 9 (1) ErbStG mit dem Tod des Erblassers ein. Dies gilt auch im Fall des Zwischenerwerbs durch einen Nachlassabwickler (BFH, Urteil BStBl. II 1988, 808). Zu einer Erwerbsanzeige nach § 30 ErbStG ist der Erwerber daher oft schon vor Auszahlung durch den Nachlassabwickler verpflichtet.
Vermeidung der Doppelbesteuerung im deutsch-englischen Erbfall
Zwischen dem UK und Deutschland gibt es auf dem Gebiet der Erbschaftssteuer und Schenkungssteuer kein Doppelbesteuerungsabkommen. Daher kann die Doppelbesteuerung nur nach den nationalen Regeln vermieden werden.
Anrechnung der deutschen Erbschaftsteuer auf die britische Erbschaftsteuer
Eine im Ausland festgesetzte und gezahlte Steuer kann auf die IHT angerechnet werden, wenn sie nach ihrer Art der britischen Steuer entspricht oder durch den Tod ausgelöst wird. Die deutsche Erbschaftssteuer ist eine der britischen Steuer entsprechende Steuer.
Ist das gesamte Vermögen im Ausland und nicht im UK belegen, kann die gesamte ausländische Steuer angerechnet werden, Section 159 (1) IHTA. Andernfalls ist nur eine teilweise Anrechnung möglich.
Berechnungsbeispiele finden Sie auf der Seite der Finanzverwaltung (HMRS) des UK.
Anrechnung der britischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer
Deutschland rechnet die britische Erbschaftsteuer nach Maßgabe von § 21 ErbStG auf die deutsche Steuer an; allerdings ist dies nicht immer und nicht immer ganz möglich (siehe hierzu den Aufsatz Anrechnung der britischen Erbschaftsteuer auf die deutsche Erbschaftsteuer).
Unsere Leistungen: Wir entwerfen - auch auf der Grundlage einer UK-Erbschaftsteuererklärung - die deutsche Erbschaftsteuererklärung und stellen sicher, dass die Doppelbesteuerung vermieden wird. Ergänzend beraten wir auch zu den ertragsteuerlichen Folgen des Verkaufs von Nachlassgegenständen.
