Wirksamkeit des nicht auffindbaren Testaments
Nach allgemeiner Auffassung ist ein Testaments nicht schon deswegen unwirksam, wenn es nicht auffindbar ist (vgl. z.B. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. 2. 2001 - 3 W 272/00). Wir ein Erbschein beantragt, ist allerdings der Nachweis des Bestehens eines wirksamen Testaments zu führen. Hierfür ist grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird, § 352 Abs. 3 FamG.
Fotokopie als Testament
Die Fotokopie eines eigenhändigen Testaments erfüllt nicht die Anforderungen an ein der Form nach wirksames eigenhändigen Testament (OLG Köln, 14.02.2014 - I-2 Wx 299/13).
Testamentsurkunde und Letztwillige Verfügung
Zu unterscheiden sind die Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung und das Bestehen einer Testamentsurkunde. Eine letztwillige Verfügung kann auch dann wirksam sein, wenn die Testamentsurkunde vernichtet, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist (KG, 03.08.2018 - 6 W 52/18; BayObLG, Beschluss vom 08.06.1993 zu 1 Z BR 95/92).
Nachweis der wirksamen Errichtung eines nicht auffindbaren Testaments
Nach § 352 Abs. 3 FamFG ist im Grundsatz die Testamentsurkunde dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheines beizufügen. Wenn die Testamentsurkunde nicht auffindbar ist und daher nicht mehr vorgelegt werden kann, kann die Errichtung und der Inhalt eines Testamentes auch mit Hilfe anderer Beweismittel dargetan werden (OLG Naumburg, Beschluss vom 24.07.2013, 2 Wx 41/12). Zum Nachweis über die (wirksame) Errichtung und den Inhalt des Testaments kommen insbesondere in Betracht
- Kopien des Testaments (BayObLG, Beschluss vom 21-07-1992 - 1 Z BR 58/92),
- Aussagen von Zeugen (z.B. Anwalt) und
- Entwürfe des Testaments.
An den Nachweis strenge Anforderungen zu stellen sind (BayObLGZ 2004, 91/92; BayObLG FamRZ 2001, 945/946 m.w.N.; KG FamRZ 2007, 1197; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. 2. 2001 - 3 W 272/00).
Nachweis der wirksamen Errichtung des Testaments bei Vorliegen einer Kopie
Allein das Vorliegen einer Kopie des verschwundenen Testaments erbringt noch keinen Beweis. Nachgewiesen werden muss, dass
- das entsprechenden Original vom Erblasser formgerecht errichtet wurde,
- die Kopie mit dem nicht auffindbarem Original übereinstimmt (OLG Hamburg, Beschluss vom 25.1.2019, 2 W 45/18; OLG Naumburg, 29.03.2012 - 2 Wx 60/11; OLG München, 28.07.2015 - 31 Wx 54/15; OLG Schleswig, 12.08.2013 - 3 Wx 27/13, des OLG Köln, 2 WX 550/16; OLG Karlsruhe, 11 WX 78/14) und
- es sich nicht um einen bloßen Entwurf gehandelt hat (KG, 03.08.2018 - 6 W 52/18).
Das Gericht muss neben der Kopie des verschwundenen Testaments auch alle anderen angebotenen erheblichen Beweismittel berücksichtigen. Der Beweis kann durch die Aussage von Zeugen erbracht werden. Diese sind regelmäßig im Rahmen einer förmlichen Beweisaufnahme zu vernehmen (OLG Köln, Beschluss vom 30-04-1993 - 2 Wx 56-57/92). Solche Zeugen können, z.B. sein
- Testierzeugen,
- ein Rechtsanwalt, der das Testament entworfen hat,
- Personen, denen über die Errichtung des Testaments berichtet wurde oder denen es gezeigt wurde.
Ferner kann der Beweis durch Schriftstücke erbracht werden, z.B. Briefe oder Notizen in einem Notizbuch.
Nachweis, wenn keine Kopie des Testaments vorliegt
Die Errichtung des nicht auffindbaren Testaments kann auch ausschließlich durch die Aussage von Zeugen bewiesen werden. Das Gericht wird in diesem Fall allerdings sehr genau prüfen, ob die Aussage der Zeugen den Schluss auf
- die Errichtung des Testaments und
- den vorgetragenen Inhalt zulässt.
Gerade die Aussagen des Zeugen zum Inhalt wird das Gericht sehr kritisch prüfen. Dabei wird das Gericht z.B. untersuchen, ob die Wahrnehmungen des Zeugen sich auf den Zeitpunkt der Testamentserrichtung beziehen, da Vorgänge vor oder nach der Testamentserrichtung allenfalls ein Indiz für den Willen zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung sein können. Daher genügt z.B. zum Nachweis der Errichtung des Testaments nicht der Umstand, dass der Erblasser mehrfach und bis zu seinem Tod auf Familienfeiern und ähnlichen Anlässen erklärt hat, dass er ein handschriftliches Testament mit dem besagten Inhalt aufgesetzt habe und bei sich zu Hause aufbewahre (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.8.2013, I-3 Wx 134/13). Auch die Aussage des Erblassers gegenüber einem Rechtspfleger lässt jedenfalls nicht dann auf den Inhalt mit der erforderlichen Sicherheit schließen, wenn der Erblasser sich gegenüber Dritten anders geäußert hat (OLG München vom 16. April 2008, 31 Wx 94/07, 31 Wx 094/07). Sagt der Zeuge hingegen glaubhaft aus, dass er bei der Errichtung anwesend war und das Testament gelesen hat, wird seine Aussage regelmäßig genügen. Bei einer solchen Aussagen wir das Gericht allerdings hohe Anforderungen an die Glaubhaftigkeit der Aussage stellen und z.B. prüfen, ob die Aussage frei von Widerspruch ist; widersprüchliche Angaben vor und während des Verfahrens können dem Beweis entgegenstehen (OLG München vom 16. April 2008, 31 Wx 94/07, 31 Wx 094/07).
Widerruf des nicht auffindbaren Testaments?
Ist die wirksame Errichtung nachgewiesen, kann eingewandt werden, dass das (wirksam errichtete Testament widerrufen oder aufgehoben wurde. Die Beweislast trifft in diesem Fall die Person, welche den Widerruf oder die Aufhebung behauptet.
Der Umstand, dass das Dokument selbst nicht auffindbar ist, begründet aber keine Vermutung dafür, dass der Erblasser diese (mit der Absicht des Widerrufs) vernichtet hat (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 26. 2. 2001 - 3 W 272/00; KG, Beschluss vom 06.01.1995 - 1 W 7563/93; OLG Hamburg, Beschluss vom 25.1.2019, 2 W 45/18).
Wird nachgewiesen, dass der Erblasser (selbst) die Testamentsurkunde vernichtet hat, so wird gemäß § 2255 BGB vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt hat. Steht nicht fest, dass der Erblasser das unauffindbare Testament selbst vernichtet hat, müssen wenigstens Indizien wie der Nachweis einer Willensänderung des Erblassers vorliegen, um den Beweis der Vernichtung erbringen zu können (OLG Zweibrücken, 09.03.1987 - 3 W 28/87; BayObLG, 21.07.1992 - 1Z BR 58/92; OLG Düsseldorf, 18.10.1993 - 3 Wx 443/93). Die Anforderungen an den Nachweis einer Vernichtungshandlung dürfen nicht zu hoch angesetzt werden, falls sich das später nicht auffindbare Original bis zuletzt im „Gewahrsam“ des Erblassers befand und Anzeichen für Handlungen eines Dritten fehlen; hieran fehlt es aber, wenn der Erblasser in den Jahren vor seinem Tod nicht in einer gegenüber Dritten weitestgehend geschützten Sphäre wie einer privaten Wohnung lebte, sondern in einem Pflegeheim oder Seniorenheim (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2016, I-3 Wx 250/15).