KG: Nachlassabwickler nach kanadischem Recht ist auch denn Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen, wenn er alleiniger Begünstigter ist

Das Kammergericht (KG) hat mit Beschluss vom 17.10.2024 – 19 W 2/24 (AG Schöneberg Beschl. v. 4.12.2023 – 64 VI 229/23) entschieden, dass

  • einem Nachlassabwickler nach kanadischem Recht, der durch Testament benannt wurde, auch dann Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen ist, wenn er alleiniger Begünstigter ist.
  • die nach § 352 FamFG im Grundsatz erforderliche Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor der deutschen Auslandsvertretung in Toronto bei einem geringen Wert des inländischen Nachlasses (EUR 32.000) zu erlassen ist. 

Auszug aus den Gründen

"Für die Frage, ob das beantragte auf das Inland beschränkte Testamentsvollstreckerzeugnis zu erteilen ist, ist zu prüfen, ob nach dem gemäß Art. 21 EuErbVO anwendbaren kanadischen Erbrecht der Provinz Alberta ein der deutschen Testamentsvollstreckung vergleichbares Institut besteht und dies von der Erblasserin angeordnet ist (vgl. BeckOGK/Neukirchen, 1.7.2023, BGB § 2368 Rn. 63 mwN). Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 18.4.2024 nachvollziehbar dargelegt, dass das der Fall ist. Die rechtlichen Pflichten und Befugnisse des executors, zu dem er durch das Testament vom 25.11.2017 eingesetzt wurde, richten sich nach dem Estate Administration Act, Chapter E-12.5 und entsprechen den Befugnissen des Testamentsvollstreckers in mehrfacher Hinsicht. Der executor ist dazu berufen, die Nachlassgegenstände und -pflichten festzustellen, den Nachlass zu verwalten, die Schulden und Verpflichtungen des Nachlasses zu erfüllen, den Nachlass zu verteilen und die Buchhaltung über die Verwaltung zu führen. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass nach kanadischem Erbrecht die Einsetzung eines executors bzw. adminstrators oder estate trustees, auf den das Nachlassvermögen übergeht, zwingend ist (vgl. zB Eric P. Polten ua, Nachlassplanung in Deutschland und Kanada und das Kollisionsrecht, 2011, Seite 9 sowie Kanadisches Erbrecht – Einführung, Abschnitt: Das Probate-Nachlassverfahren in Kanada, abrufbar Internet unter: www.wf-frank.com/publikationen/detail/kanadisches-erbrecht-einfuehrung-1531.html).

6Bei dieser Sachlage ist ferner davon auszugehen, dass die Erblasserin auch die Bestellung eines Testamentsvollstreckers nach deutschem Recht zumindest in der Laiensphäre gewollt hat, wie es das OLG Brandenburg in dem Beschluss vom 2.4.2001 – 8 Wx 165/00 (BeckRS 2001, 30172167) fordert. Denn sie musste davon ausgehen, dass der executor auch das ihr in Deutschland vorhandene Vermögen "wie ein Testamentsvollstrecker" verwalten und verteilen würde. Ob der Rechtsauffassung des OLG Brandenburg zu folgen ist, braucht daher nicht entschieden zu werden.

(...)

Da, wie oben ausgeführt, die Einsetzung als executor nach dem maßgeblichen kanadischem Recht zwingend ist, kann dem Antragsteller das Testamentsvollstreckerzeugnis deshalb auch nicht mit dem Argument, er sei nach deutschem Recht als Alleinerbe anzusehen und dann sei die „Verdopplung seines Rechts“ sinnlos, versagt werden.

Die formellen Voraussetzungen für die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses sind gegeben. Die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vor der deutschen Auslandsvertretung in Toronto ist dem Antragsteller zu erlassen, § 352 Abs. 3 S. 4 FamFG, weil dies angesichts der Entfernung, die in Kanada zurückzulegen wäre und den Nachlasswert des in Deutschland befindlichen Vermögens von rd. 32.000 EUR, nicht zumutbar erscheint. (...)"

Anmerkung

1. Der Entscheidung ist im Ergebnis zuzustimmen, da die Verwaltung des deutschen Nachlasses durch einen Nachlassabwickler nicht "sinnlos" und nicht einzusehen ist, warum dem Nachlassabwickler (executor) nicht ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt werden kann, nur weil er auch alleiniger testamentarisch-Begünstiger ist. Warum er nur einen (teureren) Erbschein erhalten können soll, ist in der Sache nicht begründbar, zumal es denkbar ist, dass die Person des Nachlassabwicklers wechselt (z.B. im Fall, dass der Nachlassabwickler nach Amtsannahme geschäftsunfähig wird). Könnte dem Nachlassabwickler nur ein Erbschein (ohne Testamentsvollstreckervermerk) erteilt werden, würde ein solcher Wechsel des Nachlassabwicklers es erforderlich machen, dass der Erbschein eingezogen und (auf Antrag) ein Erbschein mit Testamentsvollstreckervermerk erteilt wird. Es ist auch nicht einzu

2. Sehr zu begrüßen ist die Auffassung, dass das Nachlassgericht auf die im Grundsatz erforderliche Versicherung an Eides Statt verzichten muss, wenn dies unzumutbar ist. Gerade bei deutsch-kanadischen Erbfällen ist dies oftmals der Fall, da der Antrag auf Erteilung eines Erbscheins oder Testamentsvollstreckerzeugnisses oder einer Versicherung an Eides Statt hierzu nur noch vom Generalkonsulat in Toronto bearbeitet werden. Hingegen werden in der deutschen Botschaft in Ottawa und den deutschen Generalkonsulaten in Vancouver und Montreal solche Nachlassangelegenheiten nicht mehr bearbeitet. Die deutschen Nachlassgerichte sind aber - leider - bisher noch sehr zurückhaltend mit dem Verzicht auf die Versicherung an Eides Statt, so dass den Erben oft nichts anderes übrig bleibt als eine lange Reise anzutreten ohne dass hierdurch für die Rechtspflege etwas gewonnen wäre. Die Entscheidung könnte helfen, solchen Aufwand im Einzelfall zu vermeiden. Allerdings ist es in diesem Fall erforderlich, dass ein Rechtsanwalt mit Erfahrung im deutsch-kanadischen Erbrecht den Antrag entwirft und eine Versicherung an Eides Statt vor einem kanadischen Notar am Wohnsitz des Antragstellers in Kanada unterschrieben wird.

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