Vorerbschaft und Nacherbschaft - Rechte und Pflichten des Vorerben und Nacherben

Grundlagen

Der Erblasser kann einen Erben in der Weise einsetzen, dass dieser erst Erbe wird, nachdem zunächst ein anderer Erbe geworden ist (Nacherbe), § 2100 BGB. 

Vorerbe

Erwerb des Nachlasses 

Wird in einer Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet, wird zunächst der Vorerbe Erbe und nach ihm der Nacherbe Erbe (§ 2100 BGB). Der Vorerbe ist echter Erbe, d.h. er tritt gemäß § 1922 BGB in alle Rechte und Pflichten des Erblassers ein. Er hat daher insbesondere das Besitzrecht und wird Eigentümer der Nachlassgegenstände. Auf Antrag wird ihm ein Erbschein erteilt, der ihn als Vorerben ausweist und er kann auch im Grundbuch als Eigentümer eingetragen werden, wobei Nacherbfolge vermerkt wird.  

Verwaltung des Nachlasses

Als Erbe ist der Vorerbe - im Grundsatz - in der Verwaltung des Nachlasses frei. Dabei muss er allerdings Folgendes beachten: 

  • Wenn er einen Erbschaftsgegenstand für sich verwendet, ist er (oder nach seinem Tod sein Erbe) nach dem Eintritt der Nacherbfolge dem Nacherben gegenüber zum Ersatz des Wertes verpflichtet. Bei Verschulden ist er auch unter Umständen weitergehend haftbar (§ 2134 BGB);
  • Zieht er Früchte (§ 99 BGB, z.B. Mietzins oder Zinsen) den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zuwider oder zieht er Früchte deshalb im Übermaß, weil dies infolge eines besonderen Ereignisses notwendig geworden ist, so gebührt ihm der Wert der Früchte nur insoweit, als durch den ordnungswidrigen oder den übermäßigen Fruchtbezug die ihm gebührenden Nutzungen beeinträchtigt werden und nicht der Wert der Früchte nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft zur Wiederherstellung der Sache zu verwenden ist (§ 2133 BGB);
  • Erwirbt er aus Mitteln des Nachlasses Gegenstände, so treten diese an die Stelle des Nachlassgegenstands (§ 2111 BGB).

Verfügung über den Nachlass 

Der Vorerbe kann über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände im Grundsatz frei verfügen (§ 2112 BGB). Hat der Erblasser im Testament nichts anderes angeordnet, bestehen folgende Verfügungsbeschränkungen:  

  • Verbot über Grundstücke oder Rechte an diesen Grundstücken oder Schiffe und Schiffsbauwerke zu verfügen (§ 2113 Abs. 1 BGB);
  • Verbot unentgeltlich über das Vorerbe zu verfügen (§ 2113 Abs. 2 BGB)
  • Verbot über Hypothekenforderungen, Grund- und Rentenschulden zu verfügen (§ 2114 BGB);

Weitere Pflichten des Vorerben

Den Vorerbe treffen einige Pflichten gegenüber dem Nacherben: 

  • Verpflichtung zur Hinterlegung (§ 2116 BGB) bzw. Umschreibung (§ 2117 BGB) von Wertpapieren, Eintragung eines Sperrvermerks (§ 2118 BGB) und der Anlegung von Geld (§ 2119 BGB);
  • Verpflichtung zur Erstellung eines Nachlassverzeichnisses auf Verlangen (§ 2121 BGB);
  • Pflicht zur Duldung der Zustandsfeststellung durch den Nacherben (§ 2122 BGB);
  • Verpflichtung zur Aufstellung eines Wirtschaftsplans bei Wald und der Gewinnung von Bodenschätzen (§ 2123 BGB);
  • Verpflichtung den Nacherben Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu geben (§ 2127 BGB);
  • Verpflichtung den Nacherben Sicherheit zu leisten (§ 2128 BGB);
  • Verpflichtung zur ordnungsgemäßen Verwaltung und zur Rechnungslegung nach Eintritt des Nacherbfalls (§ 2130 BGB), sowie dem Haftungsmaßstab des § 2131 BGB;
  • Verpflichtung zum Wertersatz für Raub- und Übermaßfrüchte (§ 2133 BGB);
  • Verpflichtung zur Leistung von Wertersatz bei eigennützigen Verwendungen (§ 2134 BGB);
  • Verpflichtung zum Schadenersatz unter den Voraussetzungen des § 2138 Abs. 2 BGB.

Haftung bei Verletzung einer Pflicht

Verletzt der Vorerbe seine Pflichten schuldhaft und entsteht dem Nacherben hierdurch ein Schaden, kann dies Schadenersatzansprüche begründen. Allerdings haftet der Vorerbe dem Nacherben gegenüber in Ansehung der Verwaltung nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt (§ 2131 BGB, § 277 BGB).

Abweichende Regelungen

Der Erblasser kann den Vorerben von den Beschränkungen und Verpflichtungen des § 2113 Abs. 1 und der §§ 2114, 2116 bis 2119, 2123, 2127 bis 2131, 2133, 2134 befreien. Bei einer umfassenden Befreiung wird er als befreiter Vorerbe bezeichnet. 

Haftung für Nachlassverbindlichkeiten

Der Vorerbe haftet als Erbe im Sinne von § 1922 BGB für die Schulden des Erblassers und sonstige Nachlassverbindlichkeiten. Allerdings ist die Zwangsvollstreckung in das der Vorerbschaft unterliegende Vermögen nach Maßgabe des § 2115 BGB beschränkt. 

Vorerbe und Pflichtteil

Da auch der Vorerbe nach der gesetzlichen Regelung Erbe ist, hat er keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Allerdings kann er gemäß § 2306 BGB die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen.

Nacherbe

Erwerb des Nacherben

Der Nacherbe erwirbt die Erbschaft (vom Erblasser) erst mit Eintritt des Nacherbfalls. Dies ist z.B. der Tod des Vorerben. Tritt der Nacherbfall ein, hat der Vorerbe oder dessen Erben die Erbschaft an den Nacherben heraus zu geben.

Rechte des Nacherben gegenüber dem Vorerben vor Eintritt des Nacherbfalls

Sofern der Erblasser den Vorerben nicht wirksam von der entsprechenden Verpflichtung entbunden hat, hat der Nacherbe vor Eintritt des Nacherbfalls das Recht 

  • die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses zu verlangen (§ 2121 BGB);
  • Auskunft über den Bestand der Erbschaft zu verlangen (§ 2127 BGB);
  • Sicherheit zu verlangen (§ 2128 BGB);
  • Hinterlegung (§ 2116 BGB) bzw. Umschreibung (§ 2117 BGB) von Wertpapieren, Eintragung eines Sperrvermerks (§ 2118 BGB) und die Anlage von Geld (§ 2119 BGB) zu verlangen;
  • auf Zustandsfeststellung (§ 2122 BGB).

Pflichten des Nacherben gegenüber dem Vorerben vor Eintritt des Nacherbfalls

Sofern zur ordnungsmäßigen Verwaltung, insbesondere zur Berichtigung von Nachlassverbindlichkeiten, eine Verfügung erforderlich ist, die der Vorerbe nicht mit Wirkung gegen den Nacherben vornehmen kann, ist der Nacherbe dem Vorerben gegenüber verpflichtet, seine Einwilligung zu der Verfügung zu erteilen (§ 2120 BGB).

Unwirksamkeit der Nacherbeneinsetzung durch Zeitablauf

Die Einsetzung eines Nacherben wird mit dem Ablauf von 30 Jahren nach dem Erbfall unwirksam, wenn nicht vorher der Fall der Nacherbfolge eingetreten ist, § 2109 Abs. 1 BGB. Damit entfallen die Beschränkungen des Vorerben. Allerdings bleibt die Nacherbschaft in manchen Fällen bestehen. So bleibt die Nacherbschaft z.B. bestehen, wenn die Nacherbfolge für den Fall des Versterbens einer bestimmten Person angeordnet wird. Da oftmals die Nacherbfolge vom Tod des Vorerben abhängig gemacht wird, erlischt die Einsetzung des Nacherbens daher oftmals nicht nach 30 Jahren.

Nacherbschaft und Pflichtteil

Da auch der Nacherbe nach der gesetzlichen Regelung Erbe ist, hat er keinen Anspruch auf den Pflichtteil. Allerdings kann er gemäß § 2306 BGB die Erbschaft ausschlagen und den Pflichtteil verlangen.

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