Einführung
Gemäß § 1922 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Da der Vermögensübergang "mit dem Tod" erfolgt, ist eine Mitwirkung eines Gerichts insoweit nicht erforderlich. Allerdings kann es erforderlich sein, das Erbrecht des Erben nachzuweisen. Hierzu dient ein Erbschein, den das Nachlassgericht auf Antrag dem Erben erteilen soll. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erbschein: Antrag und Verfahren.
Nachweis des Erbrechts
Ein Erbschein ist ein Zeugnis über das Erbrecht des Erben und, wenn es mehrere Erben gibt, die Anteile der Erben (§ 2353 BGB). Es gibt aber keinen allgemeinen Rechtssatz, dass das Erbrecht nur durch Erschein nachgewiesen werden kann (BGH, Urteil vom 8. Oktober 2013 - XI ZR 401/12). Vielmehr kann das Erbrecht in jeder Art und Weise nachgewiesen werden, wenn nicht durch Gesetz besondere Anforderungen an den Nachweis des Erbrechts aufgestellt werden oder durch Vertrag Abweichendes geregelt wurde. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erforderlichkeit eines Erbscheins.
Richtigkeitsvermutung
Wird eine Person im Erbschein als Erbe bezeichnet, so spricht eine (widerlegbare) Vermutung dafür, dass er auch Erbe ist, und nur die im Erbschein ausgewiesenen Beschränkungen (z.B. aufgrund der Anordnung einer Testamentsvollstreckung oder Nacherbfolge, § 2365 BGB (Richtigkeitsvermutung).
Umstritten ist die Frage, ob der Erbschein das tatsächliche Bestehen der im Erbschein ausgewiesenen Verfügungsbeschränkungen bezeugt.
Auf andere Umstände (z.B. Umfang des Nachlasses, Bestehen eines Anspruchs auf den Pflichtteil, Vermächtnisse, Auflagen oder Teilungsanordnungen) bezieht sich die Richtigkeitsvermutung nicht.
Keine Vermutungswirkung entfaltet der Erbschein im Rechtsstreit um das Erbrecht (Erbenfeststellungklage). Auf Antrag kann das Prozessgericht daher z.B. (rechtskräftig) feststellen, dass eine andere Person zur Erbfolge berufen ist.
Beispiel: A hat einen Erbschein beantragt, der ihn als Alleinerben ausweist. B widerspricht. Dennoch erteilt das Nachlassgericht einen Erbschein. B kann nun (oder auch parallel) das Prozessgericht anrufen und die Feststellung seines Erbrechts klagen. Das darauf ergehende Urteil des Prozessgerichts ist bindend. Widerspricht es dem Erbschein, ist dieser einzuziehen.
Öffentlicher Glaube
Erwirbt jemand von demjenigen, welcher in einem Erbschein als Erbe bezeichnet ist, durch Rechtsgeschäft einen Erbschaftsgegenstand, ein Recht an einem solchen Gegenstand oder die Befreiung von einem zur Erbschaft gehörenden Recht, so gilt zu seinen Gunsten der Inhalt des Erbscheins, soweit die Vermutung des § 2365 reicht, als richtig, es sei denn, dass er die Unrichtigkeit kennt oder weiß, dass das Nachlassgericht die Rückgabe des Erbscheins wegen Unrichtigkeit verlangt hat (§ 2366 BGB).
Beispiel: Auf Antrag wurde A ein Erbschein erteilt, der ihn als Alleinerben ausweist. Unter Vorlage des Erbscheins kündigt er einen Darlehensvertrag des Erblassers und verlangt von dem Darlehensnehmer D Rückzahlung des Darlehens. D zahlt an A EUR 100.000,--. Dann stellt sich heraus, dass tatsächlich B der Alleinerbe ist, und das Nachlassgericht zieht den Erbschein ein. Die Kündigung des Darlehensvertrags ist gleichwohl wirksam und B kann nicht erneute Zahlung von D verlangen. Vielmehr muss er sich nun an A halten.
Grundlage dieses Vertrauensschutzes ist das Bestehen eines Erbscheins. Der Verkehrsschutz beginnt mit der Erteilung des Erbscheins. Er endet durch
- die Rückgabe der letzten Ausfertigung des Erbscheins aufgrund Einziehungsbeschlusses (siehe hierzu den Beitrag Einziehung eines Erbscheins),
- Herausgabe in den Fällen der §§ 2362 Abs. 1, 2363 BGB;
- mit dem Wirksamwerden des Kraftloserklärungsbeschlusses nach § 353 Abs. 1 FamFG.
Eine vorläufige Rücklieferung zur Sicherstellung aufgrund einstweiliger Verfügung oder vorläufiger Anordnung macht den Erbschein nicht kraftlos und nimmt ihm somit auch nicht den öffentlichen Glauben.
