Anwendbares Recht beim deutsch-neuseeländischen Erbfall
Das anzuwendende Recht wird nach dem internationalen Privatrecht (Conflict of Laws) bestimmt. Da es keinen Staatsvertrag zwischen Neuseeland und Deutschland über das anwendbare Recht gibt, wird das anwendbare Recht nach den heimischen Regeln bestimmt.
Sicht der Gerichte von Neuseeland
Das neuseeländische internationale Privatrecht unterscheidet zwischen dem beweglichen und unbeweglichen Nachlass:
- Im Hinblick auf das bewegliche Vermögen wenden neuseeländische Gerichte das Recht des letzten Domizil im Sinne des Domicile Act 1976 des Erblassers an.
- Im Hinblick auf das unbeweglichem Vermögen (z.B. Haus) wenden Gerichte in Neuseeland hingegen das Recht des Ortes, an dem es sich das unbewegliche Vermögen befindet, an (situs).
Sicht der Gericht Deutschlands
Anwendbares Erbrecht aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland
Für Erbfälle ab dem 17.08.2015 bestimmt sich das im Hinblick auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen im Sinne der EuErbVO nach der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Danach kommt es im Grundsatz auf den den gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers an. Eine Ausnahme für unbewegliches Vermögen in Neuseelands gibt es - aus der Sicht Deutschlands - nicht mehr. Da aus der Sicht Neuseelands im Hinblick auf Immobilien in Neuseeland immer das neuseeländische Erbrecht anzuwenden ist, birgt die Rechtslage die Gefahr unterschiedlicher Rechtsanwendung und des Forum Shopping.
Betreffend Grundvermögen in Deutschland kann es zu einer Rückverweisung und einer Nachlassspaltung kommen.
Hinweis: Eine Ausnahme für Immobilien in Neuseeland ist in der EuErbVO nicht mehr vorgesehen. Dies führt dazu, dass deutsche Gerichte und Gerichte von Neuseeland im Hinblick auf Immobilien in Neuseeland unter Umständen unterschiedliches Recht anwenden. Im Einzelfall kann daher die kluge Auswahl des Gerichtsstands über den Ausgang des Verfahrens entscheiden (sog. Forum Shopping).
Allerdings kann eine Person für die Rechtsnachfolge von Todes wegen das Recht des Staates wählen, dem sie im Zeitpunkt der Rechtswahl oder im Zeitpunkt ihres Todes angehört.
Hinweis: Ob eine solche Rechtswahl nach Art 22 EuErbVO aus Sicht von Neuseeland unwirksam ist, ist bisher nicht abschließend geklärt. Da die Regeln des neuseeländischen internationalen Privatrechts
Administration, Trusts und Joint Tenancy
Für die Nachlassabwicklung (administration) gilt abweichend vom Vorgesagten das Recht des Staates, dessen Gerichte für die Bestellung des Nachlassabwicklers zuständig sind.
Auch für trusts und den Erwerb außerhalb des Nachlasses (z.B. durch joint tenancy) wird gesondert angeknüpft.
Testamentarische Erbfolge im neuseeländischem Erbrecht
Die gewillkürte Erbfolge bestimmt sich nach dem Wills Act 2007 und dem Wills Amendment Act 1955.
Zulässiger Inhalt des Testaments und materielle Wirksamkeit
Das neuseeländische Erbrecht ist vom Grundsatz vom Prinzip der Testierfreiheit bestimmt, d.h. der Erblasser ist im Grundsatz in der Gestaltung seines Testaments frei. Der Erblasser ist im Grundsatz frei im Testament anzuordnen, was er will. Er kann z.B. anordnen,
- dass eine Person einen bestimmten Vermögensgegenstand erhalten soll (specific gift),
- wer den Restnachlass (residuary estate) erhalten soll,
- wer Nachlassabwickler (executor) oder
- eine bestimmte Person für den Erblasser einen Begünstigten bestimmen kann (power of appointment).
Die Wirksamkeit des Testaments setzt zunächst voraus, dass der Testator testierfähig war. Testierfähigkeit (capacity) setzt voraus, dass der Testator bei Testamentserrichtung mindestens 18 Jahre alt war. Eine Person unter 18 Jahren kann mit Erlaubnis des Gerichts ein Testament errichten.
Der Testator muss ferner die Fähigkeit haben, über den Inhalt des Testaments zu verstehen und über diesen zu entscheiden. Dies setzt Folgendes voraus, dass der Testator
- das Wesen der Verfügung und ihre Wirkungen versteht,
- versteht, über welches Vermögen er verfügt und
- er versteht, dass er eine Zuwendung macht.
Unwirksam ist ein Testament, welches unterm dem Einfluss von unzulässiger Beeinflussung (undue influence) oder Täuschung (fraud) errichtet wurde.
Formelle Wirksamkeit des Testaments nach neuseeländischem Recht
Nach Section 11 des Wills Act 2007 ist ein Testament nur wirksam, wenn es folgende Voraussetzungen erfüllt:
- es muss schriftlich sein und von dem Testierenden unterschrieben werden. Es kann auch von einer anderen Person unterschrieben werden, wenn der Testator bei der Unterschrift dieser Person anwesend ist und diese Person anweist zu unterschreiben.
- mindestens 2 Zeugen müssen gleichzeitig anwesend sein, wenn der Testator unterschreibt oder ein anderer für ihn in seiner Gegenwart unterschreibt.
- oder der Testator gegenüber 2 Zeugen anerkennt, dass er selbst unterschrieben hat oder ein anderer für ihn in seiner Gegenwart unterschrieben hat.
- die Zeugen müssen das Testament in Gegenwart des Testators unterschreiben.
Aber auch, wenn diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann der High Court ein Testament für wirksam erklären, wenn es davon überzeugt ist, dass es den Willen des Testators zum Ausdruck bringt, Sec. 14 Wills Act.
Für Testamente, die vor dem 1. November 2007 errichtet wurden, gilt das alte Recht fort.
Anerkennung ausländischer Testamente in Neuseeland
Nach Sec. 14 des Wills Amendment Act 1955 wird ein außerhalb Neuseelands errichtetes Testament im Hinblick auf das bewegliche Vermögen der Form nach in Neuseeland anerkannt, wenn es
- dem Recht des domicile des Testators zur Zeit seines Todes,
- dem Recht des Errichtungsortes,
- dem Recht des domicile des Testators zur Zeit der Errichtung oder
- dem Recht des Ortes, wo der Testator zur Zeit der Errichtung sein domicile of origin hatte,
entspricht.
Pflichtteil und Unterhalt auf den Tod in Neuseeland
Wie im Zusammenhang mit der testamentarischen Erbfolge erwähnt, wird das Erbrecht von Neuseeland vom Grundsatz der Testierfreiheit beherrscht. Das neuseeländische Erbrecht kennt daher insbesondere keinen Pflichtteil im Sinne einer quotalen Beteiligung am Nachlass.
Nach dem Family Protection Act 1955 kann das Gesetz eine unangemessen Regelung ändern und Zahlungen aus dem Nachlass anordnen. Folgende Personen können berechtigt sein:
- der Ehegatte oder gleichgeschlechtlicher Partner (Civil Union Partner);
- der nichteheliche Lebensgefährte (de facto partner);
- ein Kind oder Enkel des Erblassers;
- die Stiefkinder, welche unterhaltsberechtigt waren;
- die Eltern (eingeschränkt).
Der Antrag ist im Grundsatz binnen 12 Monaten nach Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses (grant of administration).
Der Ehegatte oder de facto Partner kann auch nach dem Property (Relationships) Act 1976 bis zu 50 % des "Relationship Property" verlangen.
Hinweis: Soweit deutsches Erbrecht anzuwenden ist, kommt natürlich auch der deutsche Pflichtteil in Betracht.
Gesetzliche Erbfolge in Neuseeland
Die gesetzliche Erbfolge ist in section 77 des Administration Act 1969 und dem Administration (Prescribed Amounts) Regulations 2009 geregelt. Sie tritt ein, wenn es kein Testament gibt oder dieses unwirksam ist. In diesem Fall gilt Folgendes:
- Erbt ein Ehegatte, gleichgeschlechtlicher Partner oder Lebensgefährte neben Kindern, erhält Ehegatte, gleichgeschlechtlicher Partner oder Lebensgefährte alle persönlichen Gegenstände und einen Festbetrag von $155,000 und 1/3 des Rests. Die Kinder erhalten 2/3 zu gleichen Teilen.
- Gibt es keinen Ehegatten, gleichgeschlechtlichen Partner oder Lebensgefährten erben die Kinder allein zu gleichen Teilen.
- Gibt es keinen Ehegatten, gleichgeschlechtlichen Partner, Lebensgefährten oder Kinder, Erben die Eltern.
- Gibt es auch keine Eltern, erben die Geschwister zu gleichen Teilen.
Wurde die Trennung gerichtlich festgestellt (separation order), hat der Ehegatte, gleichgeschlechtlicher Partner oder Lebensgefährte kein Erbrecht.
Das Nachlassverfahren in Neuseeland
Das Nachlassverfahren ist im Administration Act 1969 und im Trustee Act 1956 geregelt. Die Nachlassabwicklung erfolgt regelmäßig durch einen gerichtlich bestellten bzw. bestätigten Nachlassabwickler, welcher den Nachlass verwaltet und das Vermögen auf die Begünstigten verteilt. Weitergehende Informationen können Sie dem Beitrag Nachlassabwicklung in Neuseeland entnehmen.
Joint Tenancy
Zwei oder mehr Personen, die Vermögen gemeinschaftlich halten, können vereinbaren, dass es auf den Tod eines Mitinhabers auf den oder die Verbleibenden übergehen soll (right of survivorship, Anwachsungsrecht auf den Tod). In diesem Fall wird davon gesprochen, dass der Vermögensgegenstand in joint tenancy gehalten wird. Ein solcher Vermögensgegenstand fällt nicht in den Nachlass (estate) und insoweit ist kein Nachlassverfahren zu führen. Die joint tenancy geht letztwilligen Verfügungen (z.B. Testament) vor. Üblicherweise wird die joint tenancy von Eheleuten, Partnern oder Lebensgefährten vereinbart. Es kann aber auch jeder andere die joint tenancy vereinbaren. Es können auch mehr als 2 Personen als joint tenants sein. Sie müssen aber alle gleichzeitig das Dokument unterzeichnen und gleiche Anteile haben.
Trusts
In Neuseeland werden trusts oft als Mittel der Nachlassplanung genutzt. Ein trust entsteht dadurch, dass der Errichter (settlor, creator) Bestandteile seines Vermögens auf den Treuhänder (trustee) überträgt, welcher diese Vermögensgegenstände zugunsten des Begünstigten (beneficiary) treuhänderisch verwaltet und für einen vom Errichter bestimmten Zweck verwenden soll. Der Treuhänder (trustee) hat im Außenverhältnis alle Rechte (legal title) am trust-Vermögen. Wirtschaftlich berechtigt ist allerdings der Begünstigte (beneficiary), für welchen der Treuhänder das trust-Vermögen treuhänderisch verwaltet. Zum Teil wird auch eine Person bestimmt, welche den trustee ernennt bzw. austauscht (appointer). Mit der Errichtung eines Trusts können unterschiedliche Zweck verfolgt werden, z.B. die Vermeidung eines förmlichen probate-Nachlassverfahrens, der Schutz von minderjährigen Begünstigten (child protection trust), Verstetigung des Familien-Vermögens (family trust) oder Sicherung des Vermögens gegen Gläubigerzugriff (asset protection). Die Befugnisse und Pflichten sind im Trustee Act 1956 geregelt.
Hinweis: Bei Bezügen zu Deutschland kann ein trust steuerlich ungewollte Wirkungen haben. Hierzu verweisen wir auf unseren Beitrag Besteuerung von common-law trusts in Deutschland.
Erbschaftsteuer in Neuseeland
Die neuseeländische Erbschaftsteuer bzw. Nachlasssteuer (estate duty) wurde 1993 durch den Estate Duty Abolition Act 1993 abgeschafft.
Deutsche Erbschaftsteuer
Bei Bezügen zu Deutschland kann deutsche Erbschaftsteuer anfallen. Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Erbschaftssteuer: Steuerpflicht in Deutschland.
Die deutschen Begünstigten sind nach § 30 ErbStG verpflichtet, dem deutschen Erbschafts- und Schenkungssteuer-Finanzamt ihren Erwerb binnen 3 Monaten ab Kenntnis vom Erwerb anzuzeigen. Da nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) der Erwerb nicht etwa erst mit Auskehrung durch des Nachlassabwicklers oder Überweisung des Anteils an der Erbschaft an den Begünstigten erfolgt, hat die Anzeige oftmals vor Zahlung an die Erben zu erfolgen. Da die Abwicklung einer deutsch-neuseeländischer Erbschaft oftmals erst nach 1 oder 2 Jahren beendet ist, sollte auf eine großzügige Erklärungsfrist hingewirkt werden.