Widerruf eines Testaments

Der Erblasser ein Testament sowie eine einzelne in einem Testament enthaltene Verfügung jederzeit widerrufen. Der Beitrag zeigt auf, wie der Widerruf eines Testaments erfolgen kann und welche Wirkungen der Widerruf hat.

Widerruf durch Testament und Aufhebung des Testaments

Widerrufstestament

Eine Person kann ihr Testament dadurch widerrufen, dass sie ihren Willen, die frühere letztwillige Verfügung außer Kraft zu setzen, in einem späteren Testament zum Ausdruck bringt (§ 2254 BGB), sog. Widerrufstestament. 

Dabei gibt es keine Bevorzugung von öffentlichen Testamenten. Insbesondere kann ein eigenhändiges Testament auch ein notarielles Testament widerrufen.

Der Widerruf des Testaments kann ausdrücklich erfolgen (z.B. "Ich widerrufe alle vorgehenden letztwilligen Verfügungen"). Es genügt aber auch, wenn die Widerrufsabsicht dem Testament im Wege der Auslegung entnommen werden kann (BGH, Urteil vom 08.07.1981 - IVa ZR 188/80; BGH, NJW 1966, 201 = LM § 2254 BGB Nr. 1). Dabei hat der Tatrichter nach den allgemeinen Grundsätzen der Testamentsauslegung außer dem Wortlaut auch diejenigen Umstände außerhalb des Testaments mit heranzuziehen, die zur Ermittlung des wirklichen Willens des Erblassers von Bedeutung sein können (BGH, Urteil vom 08.07.1981 - IVa ZR 188/80). 

Aufhebung

Demgegenüber tritt die Aufhebung gemäß § 2258 (1) BGB kraft Gesetzes ein. Sie setzt voraus, dass das spätere Testament mit dem früheren in Widerspruch steht. Ist das der Fall, dann ist das frühere Testament soweit aufgehoben, wie der Widerspruch reicht, und zwar ohne dass es einer gerade auf diese Rechtsfolge gerichteten Willenserklärung bedarf (BGH, Urteil vom 08.07.1981 - IVa ZR 188/80; BGH, LM § 2258 BGB Nr. 1). Ein Widerspruch in diesem Sinne besteht einmal, wenn die Testamente sachlich miteinander nicht vereinbar sind, also die getroffenen testamentarischen Anordnungen nicht nebeneinander Geltung erlangen können, sondern einander entgegengesetzt sind und sich dadurch gegenseitig ausschließen. Aber auch wenn die einzelnen testamentarischen Anordnungen sachlich miteinander in Einklang stehen, kann ein Widerspruch i. S. von § 2258 (1) BGB gegeben sein. Das ist der Fall, wenn die kumulative Geltung der mehreren letztwilligen Verfügungen den in einem späteren Testament zum Ausdruck kommenden Absichten des Erblassers zuwider liefe, etwa weil dieser seine Erbfolge mit seinem späteren Testament abschließend und umfassend (ausschließlich) regeln wollte (BGH, Urteil vom 08.07.1981 - IVa ZR 188/80). Die insoweit gebotene Prüfung, ob ein Widerspruch in dem einen oder anderen Sinne zwischen den verschiedenen Testamenten besteht, macht es erforderlich, dass der Tatrichter die Testamente je für sich nach den allgemeinen hierfür maßgebenden Grundsätzen auslegt und sodann in einem zweiten Schritt die so ermittelten, jeweiligen Willen des Erblassers zueinander in Beziehung setzt. 

Gibt es ein datiertes und ein undatiertes Testament, ist das undatierte Testament im Zweifel als das ältere und damit als ungültig anzusehen. Gibt es zwei Testamente ohne Datum oder gleichen Datums und lässt sich die zeitliche Reihenfolge nicht feststellen, heben sich einander widersprechende Testament gegenseitig auf (KG Beschluss vom 6. 11. 1990 - 1 W 2992/90, BayObLG, Beschluss vom 12.07.2004 - 1Z BR 49/04). Mehrere Testamente mit gleichem Datum sind als gleichzeitig errichtet anzusehen, das Erbrecht beruht dann auf jeder einzelnen Verfügung; sie heben sich gegenseitig auf, wenn der Inhalt widersprüchlich und der Wille des Erblassers nicht mehr zu ermitteln ist.

Widerruf und Aufhebung durch Testament

Der Widerruf und die Aufhebung müssen durch ein Testament erfolgen. Dieses muss die Testamentsform wahren und frei von Willensmängeln (z.B. Testierunfähigkeit) sein. 

Der Erblasser kann das Testament ganz oder nur einzelne Anordnungen des Testaments widerrufen. Er kann z.B. in einem Testament ein Vermächtnis zu Gunsten seines Kindes widerrufen und die Erbeinsetzung zu Gunsten seiner Ehefrau bleibt hiervon unberührt. 

Modalitäten des Widerrufs 

Der Erblasser kann das Testament widerrufen und eine neue Anordnung treffen oder er kann das Testament widerrufen und eine neue Anordnung treffen.

Auch der Widerruf des Testaments unter einer Bedingung ist zulässig. Der Erblasser kann z.B. ein Vermächtnis für den Fall widerrufen, dass sich der Vermächtnisnehmer dem Willen des Erblassers widersetzt (z.B. den Pflichtteil geltend macht).  

Widerruf durch Vernichtung oder Veränderung des Testaments

Ein Testament kann auch dadurch widerrufen werden, dass der Erblasser in der Absicht, es aufzuheben, die Testamentsurkunde vernichtet oder an ihr Veränderungen vornimmt, durch die der Wille, eine schriftliche Willenserklärung aufzuheben, ausgedrückt zu werden pflegt. Dies können z.B. sein

  • Zerreißen (BayObLGZ 1983, 204), 
  • Einreißen der Testamentsurkunde und Entfernung des aufgedruckten Privatsiegels (RGZ 69, 413),
  • Herausschneiden eines Textteils (OLG Hamm NJW-RR 2008, 21),
  • Zerknüllen (BayObLG Rpfleger 1980, 283, str.) und
  • Durchstreichen des Textes (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.08.2017 – 8 W 71/16; OLG Düsseldorf,  Beschluss vom 29.07.2017 - I-3 Wx 63/16). 

Streichungen einzelner Textstellen deuten nicht zwingend auf einen unmittelbaren Widerrufswillen hin, sondern können unter besonderen Umständen auch lediglich der Vorbereitung eines neuen Testaments dienen (BayObLG NJW-RR 1997, 1302).

Das bloße Wegwerfen, ohne die Urkunde zu vernichten oder mindestens zu zerknüllen, reicht nicht aus (BayObLG NJW-RR 1997, 1302, str.). 

Vernichtet der Erblasser eine Testamentsurkunde, so können Zweifel an der Widerrufsabsicht bestehen, wenn der Erblasser zuvor ein weiteres Testament mit einer widersprechenden Regelung der Erbfolge errichtet hatte und - in Unkenntnis der Formunwirksamkeit dieses Testaments - davon ausgegangen ist, bereits hiermit das frühere Testament aufgehoben zu haben (OLG Hamm, Beschluss vom 11. 9. 2001 - 15 W 224/01). 

Wenn ein anderer das Testament vernichtet oder verändert, führt dies nicht zu Aufhebung des Testaments.

Hatte der Erblasser nicht die Absicht das Testament aufzuheben, kann das Testament trotz Vernichtung oder Veränderung gleichwohl wirksam sein. Hat der Erblasser allerdings die Testamentsurkunde vernichtet oder in der bezeichneten Weise verändert, so wird vermutet, dass er die Aufhebung des Testaments beabsichtigt habe (§ 2255 BGB).

Vernichtet oder verändert der Erblasser von mehreren Testamentsurschriften nur eine, so greift § 2255 Satz 1 BGB schon vom Wortlaut her nicht ein (OLG Stuttgart, Beschluss vom 16.08.2017 – 8 W 71/16; KG FamRZ 1995,897; OLG München FamRZ 2008, 643). 

Die bloße Nichtauffindbarkeit eines Testaments begründet aber keine tatsächliche Vermutung für die Vernichtung des Testaments durch den Erblasser (KG, Beschluss vom 06.01.1995 - 1 W 7563/93; OLG Schleswig, Beschluss vom 12.08.2013 - 3 Wx 27/13; OLG Hamburg, Beschluss vom 25.1.2019, 2 W 45/18). Steht nicht fest, dass der Erblasser das unauffindbare Testament selbst vernichtet hat, müssen wenigstens Indizien wie der Nachweis einer Willensänderung des Erblassers vorliegen, um den Beweis der Vernichtung erbringen zu können (OLG Zweibrücken, 09.03.1987 - 3 W 28/87; BayObLG, 21.07.1992 - 1Z BR 58/92; OLG Düsseldorf, 18.10.1993 - 3 Wx 443/93). Die Anforderungen an den Nachweis einer Vernichtungshandlung dürfen nicht zu hoch angesetzt werden, falls sich das später verschwundene Original bis zuletzt im „Gewahrsam“ des Erblassers befand und Anzeichen für Handlungen eines Dritten fehlen; hieran fehlt es aber, wenn der Erblasser in den Jahren vor seinem Tod nicht in einer gegenüber Dritten weitestgehend geschützten Sphäre wie einer privaten Wohnung lebte, sondern in einem Pflegeheim oder Seniorenheim (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.11.2016, I-3 Wx 250/15).

Widerruf des Testaments durch Rückgabe aus amtlicher Verwahrung

Ein vor einem Notar errichtetes Testament (notarielles Testament) gilt als widerrufen, wenn es aus amtlicher Verwahrung des Testaments (Testamentshinterlegung) zurückgegeben wird (§ 2256 BGB). Wegen weiterer Informationen hierzu verweisen wir auf den Beitrag Amtliche Verwahrung eines Testaments

Unwirksamwerden des Testaments bei Scheidung oder Trennung

Eine letztwillige Verfügung, durch die der Erblasser seinen Ehegatten bedacht hat, ist unwirksam, wenn die Ehe vor dem Tode des Erblassers aufgelöst worden ist, § 2077 Abs. 1 Satz 1 BGB. 

Der Auflösung der Ehe steht es gleich, wenn zur Zeit des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe gegeben waren und der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte, § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB. Erfolgt dies im Ausland ist zu prüfen, ob diese einer Scheidung nach deutschem Recht gleichsteht (OLG Stuttgart, Beschluss v. 4.10.2011, 8 W 321/11).

Das Gleiche gilt, wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes berechtigt war, die Aufhebung der Ehe zu beantragen, und den Antrag gestellt hatte, § 2077 Abs. 1 Satz 2 BGB. 

Die Verfügung ist nicht unwirksam, wenn anzunehmen ist, dass der Erblasser sie auch für einen solchen Fall getroffen haben würde, § 2077 Abs. 1 Satz 4 BGB. 

Widerruf des Widerrufs

Auch der Widerruf eines Widerrufs durch Widerrufstestament ist zulässig. In diesem Fall ist im Zweifel die Verfügung wirksam, wie wenn sie nicht widerrufen worden wäre (§ 2257 BGB). 

Widerruf eines gemeinschaftlichen Testaments

Ein gemeinschaftliches Testament kann zu Lebzeiten beider Ehegatten können diese natürlich gemeinsam das gemeinschaftliche Testament widerrufen oder ändern. Auch ein Ehegatte allein kann ohne die Zustimmung des anderen seine Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament widerrufen (einseitiger Widerruf). Der einseitige Widerruf einer wechselseitigen Verfügung wird aber erst wirksam, wenn er dem anderen Ehegatten in notariell beurkundeter Form zugeht, § 2271 BGB i.V.m. § 2296 BGB.

Mit dem Tod eines Ehegatten erlischt das Recht das gemeinschaftliche Testament zu widerrufen im Hinblick auf eine wechselbezügliche Verfügung tritt Bindungswirkung ein. In der Folge kann der Ehegatte (es sei denn er schlägt aus) solche Verfügungen nicht mehr widerrufen; spätere Testamente des überlebenden Ehegatten sind unwirksam, soweit sie den wechselbezüglichen Verfügungen widersprechen.

Zur Vertiefung verweisen wir auf den Beitrag Gemeinschaftliches Testament: Widerruf, Bindungswirkung und Wirkung der Scheidung

Wirksamkeit des Widerrufs des Testaments bei Bezügen zum Ausland

Hat ein Testamentswiderruf oder eine Testamentsaufhebung Bezüge zum Ausland, stellt sich oft die Frage, welches Recht insoweit anzuwenden ist. Dies regelt aus deutscher Sicht die Europäische Erbrechtsverordnung (EuErbVO). 

Materielle Wirksamkeit des Widerrufstestaments

Im Grundsatz ist das anwendbare Erbrecht betreffend die materielle Wirksamkeit eines Widerrufs nach Art. 24 EuErbVO zu bestimmen (vgl. Art. 24 Abs. 3 EuErbVO). Somit unterliegt die Wirksamkeit des Widerrufs dem Recht, das nach der EuErbVO anzuwenden wäre, wenn die Person, die das Testament errichtet hat, zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre. Es ist also zu fragen, was der gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers bei Testamentserrichtung war und ob eine wirksame Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO vorliegt. 

Widerruf: Wirksamkeit der Form nach

Nach Art. 27 Abs. 2 EuErbVO ist der Widerruf eines Testaments hinsichtlich seiner Form auch dann gültig, wenn er den Formerfordernissen einer der Rechtsordnungen entspricht, nach denen das widerrufene Testament errichtet werden konnte. 

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