Erbschein: Antrag, Verfahren und Entscheidung

Als Fachanwälte für Erbrecht führen wir auch Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins. Der Beitrag erläutert die Antragstellung, das weitere Verfahren bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins.

Einleitung

Bei Anwendbarkeit deutschen Rechts geht gemäß § 1922 BGB mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über. Da der Vermögensübergang gemäß § 1922 BGB "mit dem Tod" erfolgt, ist eine Mitwirkung eines Gerichts insoweit nicht erforderlich. Allerdings kann es erforderlich (siehe hierzu den Beitrag Erforderlichkeit eines Erbscheins) oder zweckmäßig (siehe den Beitrag Rechtswirkungen eines Erbscheins: Nachweis des Erbrechts, Richtigkeitsvermutung und Öffentlicher Glaube) sein einen Erbschein zu beschaffen. In diesem Fall ist ein Erbscheinverfahren zu führen. 

Zuständigkeit

Örtlich zuständig für die Erteilung des Erbscheins ist das Gericht, in dessen Bezirk der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (§ 343 FamFG). Hatte der Erblasser keinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, so ist das Amtsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hatte. Hatte der Erblasser nie einen Aufenthalt in Deutschland, ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin zuständig, wenn der Erblasser Deutscher ist oder sich Nachlassgegenstände im Inland befinden. Das Amtsgericht Schöneberg in Berlin kann die Sache aus wichtigem Grund an ein anderes Nachlassgericht verweisen.

Ob deutsche Gerichte zuständig sind (internationale Zuständigkeit), ergibt sich aus den Regelungen der Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO). Hierzu verweisen wir auf den Beitrag Internationale Zuständigkeit in Erbsachen nach der EuErbVO

Antragstellung

Ein Erbschein ist nur auf Antrag zu erteilen (§ 2353 BGB). 

Antragsberechtigt sind der Alleinerbe, der Miterbe und Erbeserben (§ 2353 BGB). Darüber hinaus sind auch der Testamentsvollstrecker, der Nachlassverwalter, der Nachlassinsolvenzverwalter. und der gesetzliche Betreuer eines Erben antragsberechtigt. Ein Nachlasspfleger hat hinsichtlich des Erbfalls, für den die Nachlasspflegschaft angeordnet ist, kein Antragsrecht; wenn zu Lebzeiten des Erblassers diesem eine Erbschaft angefallen war, kann er hingegen für diese einen Erbschein beantragen. Gläubiger, die eine titulierte Forderung gegen den Erblasser oder einen Erben haben, sind ebenfalls antragsberechtigt.  

Der Antrag ist schriftlich zu stellen, bedarf aber nicht der öffentlichen Form.

Unsere Leistung: Der Antrag selbst kann auch durch einen Rechtsanwalt in Vollmacht des Antragstellers gestellt oder umgestellt werden. Der Antragsteller muss allerdings selbst an Eides statt bestimmte Angaben versichern (siehe unten). 

Der ordnungsgemäße Antrag setzt zunächst voraus, dass der begehrte Erbschein konkret bezeichnet wird. Unterschieden werden insbesondere 

Wer die Erteilung eines Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, hat anzugeben

  • den Zeitpunkt des Todes des Erblassers,
  • den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers,
  • das Verhältnis, auf dem sein Erbrecht beruht,
  • ob und welche Personen vorhanden sind oder vorhanden waren, durch die er von der Erbfolge ausgeschlossen oder sein Erbteil gemindert werden würde,
  • ob und welche Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind,
  • ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist,
  • dass er die Erbschaft angenommen hat,
  • die Größe seines Erbteils.

Wird die Erteilung des Erbscheins auf Grund einer Verfügung von Todes wegen beantragt, ist die Verfügung, auf der das Erbrecht beruht, zu bezeichnen und anzugeben, ob und welche sonstigen Verfügungen des Erblassers von Todes wegen vorhanden sind. Ferner hat er anzugeben:

  • den Zeitpunkt des Todes des Erblassers,
  • den letzten gewöhnlichen Aufenthalt und die Staatsangehörigkeit des Erblassers,
  • ob ein Rechtsstreit über sein Erbrecht anhängig ist,
  • dass er die Erbschaft angenommen hat und
  • die Größe seines Erbteils.

In dem Erbschein, der einem Vorerben erteilt wird, ist nach § 352b Abs. 1 FamFG anzugeben, dass eine Nacherbfolge angeordnet ist, unter welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer der Nacherbe ist. Hat der Erblasser den Nacherben auf dasjenige eingesetzt, was von der Erbschaft bei dem Eintritt der Nacherbfolge übrig sein wird, oder hat er bestimmt, dass der Vorerbe zur freien Verfügung über die Erbschaft berechtigt sein soll, so ist auch dies anzugeben.

Hat der Erblasser einen Testamentsvollstrecker ernannt, so ist gemäß § 352b Abs. 2 FamFG die Ernennung in dem Erbschein anzugeben (Testamentsvollstreckervermerk). Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Testamentsvollstrecker auch das (ausschließliche) Verfügungsrecht hat. 

Nachweise und Glaubhaftmachung durch Versicherung an Eides statt

Durch öffentliche Urkunde nachzuweisen ist

  • der Tod (in der Regel durch Sterbeurkunde, Auszug aus dem Sterberegister) und
  • das Verhältnis, auf dem das Erbrecht beruht, also z.B. das Erbrecht des Kindes durch Geburtsurkunde.  

Zum Nachweis der anderen Angaben hat der Antragsteller vor Gericht oder vor einem Notar an Eides statt zu versichern, dass ihm nichts bekannt sei, was der Richtigkeit seiner Angaben entgegensteht (§ 352 Abs. 3 FamFG).

Gemäß § 1 Abs. 2 BeurkG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Nr.1 KonsG sind auch Konsularbeamte befugt, eidesstattliche Versicherungen gemäß § 10 Abs. 2 KonsG zu beurkunden. Hierzu vertiefend verweisen wir auf den Beitrag Beantragung eines Erbscheins in einer deutschen Auslandsvertretung

Das Nachlassgericht kann auf die Versicherung an Eides Statt verzichten, wenn es sie nicht für erforderlich hält (§ 352 Abs. 3 FamFG).

Rechtsausführungen

Oftmals ist es auch zweckmäßig in der Antragsschrift auch Ausführungen zur Rechtslage zu machen.

Dies kann z.B.

Auch bei Anwendbarkeit ausländischen Rechts sollte die Rechtslage dargestellt werden. Zum Teil ist es auch erforderlich von einem ausländischen Anwalt eine Stellungnahme einzuholen. 

Unsere Leistung: Wir sind Spezialisten für das Erbrecht bestimmter Common-law-Staaten (z.B. USA, England, Kanada); im Rahmen der Vertretung in dem Verfahren bereiten wir auch rechtliche Stellungnahmen zum Recht dieser Staaten vor. 

Anhörung und Beteiligung

Nach Antragstellung hat das Nachlassgericht die Personen, die Kann-Beteiligten, zu hören (Art. 103 GG). Dies ermöglicht es den Kann-Beteiligten zu entscheiden, ob sie an dem Verfahren beteiligt werden wollen. Kann-Beteiligte sind im Erbscheinfahren 

  1. die gesetzlichen Erben,
  2. diejenigen, die nach dem Inhalt einer vorliegenden Verfügung von Todes wegen als Erben in Betracht kommen,
  3. die Gegner des Antragstellers, wenn ein Rechtsstreit über das Erbrecht anhängig ist,
  4. diejenigen, die im Fall der Unwirksamkeit der Verfügung von Todes wegen Erbe sein würden, sowie
  5. alle Übrigen, deren Recht am Nachlass durch das Verfahren unmittelbar betroffen wird (§ 345 FamFG). 

Auf ihren Antrag sind sie hinzuzuziehen.

Ermittlung des Sachverhalts und Überzeugungsbildung des Nachlassgerichts

Das Nachlassgericht entscheidet über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins nach seiner freien, aus dem gesamten Inhalt des Verfahrens gewonnenen Überzeugung (§ 37 Abs. 1 FamFG). 

Das Nachlassgericht darf eine Entscheidung, die die Rechte eines Beteiligten beeinträchtigt, allerdings nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen dieser Beteiligte sich äußern konnte (§ 37 Abs. 2 FamfG). 

Das Gericht muss ferner selbst den Sachverhalt ermitteln (Amtsermittlungspflicht), § 26 bis 29 FamFG. Das Nachlassgericht ist daher im Erbscheinsverfahren verpflichtet, die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen zu veranstalten und die geeignet erscheinenden Beweise zu erheben (BGH v. 11.10.1990, IX ZR 114/89; OLG Köln, Beschl. v. 27.4.2022 – 2 Wx 72/22). Eine Aufklärungspflicht besteht allerdings nur insoweit, als bei sorgfältiger Überlegung greifbare Anhaltspunkte zu weiteren Ermittlungen Anlass bieten (vgl. BGH. v. 5.7.2017 – IV ZB 6/17, ErbR 2017, 611 Rn.16; BGH Beschl. v. 11.7.2018 – XII ZB 615/17, FamRZ 2018, 1605 Rn.10). Über Art und Umfang der Ermittlungen entscheidet der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. 

Wenn die Ermittlungen zu keinem Erfolg führen, tragen die Beteiligten die objektive (materielle) Beweislast (Feststellungslast) (§ 352e FamFG). Dabei trägt nach allgemeiner Regel die Feststellungslast für die das Erbrecht begründenden Tatsachen (z.B. Bestehen eines Testaments) derjenige, der sein Erbrecht behauptet; für die das Erbrecht hindernden oder vernichtenden Tatsachen (z.B. Erbunwürdigkeit) hingegen ist der andere Teil beweisbelastet.

Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Erbscheins

Der Erbschein ist nur zu erteilen, wenn das Nachlassgericht die zur Begründung des Antrags erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet (§ 352e Abs. 1 FamFG).

Die dem Antrag auf Erteilung eines Erbscheins stattgebende Entscheidung des Nachlassgerichts ergeht durch Beschluss, § 352e Abs. 1 FamFG.

Widerspricht der Beschluss dem erklärten Willen eines Beteiligten, ist der Beschluss zu begründen und den Beteiligten bekannt zu geben (§§ 352 Abs. 2 S. 1, 41 Abs. 1, 15 Abs. 2 S. 1 FamFG). Dem Widersprechenden ist sie zuzustellen (§ 41 Abs. 1 S. 2 FamFG). Dabei ist der Widersprechende über die Möglichkeit des Einspruchs in der Einspruchsfrist zu belehren. Vor Ablauf der Beschwerdefrist darf kein Erbschein erteilt werden. 

Beschwerde gegen die Entscheidung des Nachlassgerichts

Die Beteiligten können gegen den Beschluss Beschwerde einlegen (§§ 58 ff. FamFG). Die Frist hierzu beträgt einen Monat und läuft regelmäßig mit der schriftlichen Bekanntgabe (§ 63 FamFG) ab. Die Beschwerde soll begründet werden (§ 65 FamFG). Ergänzend verweisen wir auf den Beitrag Erbschein: Beschwerde gegen Nichterteilung

Einziehung eines Erbscheins von Amts wegen und Antrag auf Einziehung

Das Nachlassgericht hat nach § 2361 S. 1 BGB einen unrichtigen Erbschein einzuziehen. Für die Einziehung des Erbscheins gibt es keine zeitliche Begrenzung. Ergänzend verweisen wir auf den Beitrag Einziehung eines Erbscheins

Gerichtskosten und Kosten des Notars im Erbscheinverfahren

Die Kosten des Notars und/oder des Nachlassgerichts ergeben sich aus dem Gesetz über Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gerichte und Notare (Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG)). Dabei kommt es in der Regel auf den Netto-Nachlasswert an, § 40 GNotKG. Regelmäßig fallen zwei (2) Gebühren (eine Gebühr für die Versicherung an Eides Statt und eine Gebühr für die Erteilung des Erbscheins) an. Der Wert einer Gebühr ist der Tabelle B zu entnehmen. 

Beispiel: Bei einem Nachlasswert von über EUR 1 Million ist der Wert einer Gebühr z.B. EUR 1.815,--, d.h. es fallen insgesamt EUR 3.630,-- an Gebühren an.

Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Erbscheinverfahren

Zweckmäßigkeit der Vertretung durch einen Rechtsanwalt im Erbscheinverfahren

Im Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins gibt es keine Anwaltspflicht. Etwaige Beanstandungen kann auch der Urkundsnotar ausräumen. Wenn ein Beteiligter dem Antrag widerspricht (z.B. oder gegen den Beschluss über die Erteilung Beschwerde einlegt) oder bei Bezügen zum Ausland (z.B. USA, England, Kanada), kann es ratsam sein, sich anwaltlich vertreten zu lassen. 

Unsere Leistung: Unsere Fachanwälte für Erbrecht vertreten Sie im Erbscheinverfahren, insbesondere im Fall der Testierunfähigkeit wegen Demenz, Streit wegen Auslegung des Testaments (Testamentsauslegung), bei Testamentsfälschung, bei Testamentsanfechtung wegen Irrtums und bei Unwirksamkeit wegen Verletzung der Bindungswirkung eines gemeinschaftlichen Vertrags oder Erbvertrags. Ferner beraten wir Sie bei Bezügen zu Common-law-Staaten und helfen Ihnen, wenn Sie nicht nach Deutschland für die Antragstellung bzw. Versicherung an Eides statt reisen können. 

Kosten bei Beauftragung eines Rechtsanwalts im Erbscheinverfahren 

Wird ein Rechtsanwalt mit der Vertretung in dem Verfahren beauftragt, fällt außerdem zusätzlich eine Vergütung an, welche die gesetzliche Vergütung nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) nicht unterschreiten darf. In der Regel fallen 1,3 Verfahrensgebühren an. Der Gegenstandswert ist in der Regel der Anteil des Erben am Netto-Nachlass.

Glossar: Erbschein, Erbe, öffentlicher Glaube, Richtigkeitsvermutung

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